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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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seines Gebietes zu begleiten.
    Mir war es leider nicht möglich, mich ebenso höflich zu erweisen. Ich mußte bleiben, wo ich war, und konnte nur hinauf auf meine Plattform steigen, um erst mit dem Auge und dann mit dem Herzen dem zu folgen, von dem ich mich trotz aller äußerlichen Entfernung innerlich unzertrennlich fühlte. Ich war nun Herr seines Hauses und nahm mir vor, es im allerbesten Sinne zu sein, der menschenmöglich ist!
    Eigentlich hatte ich mich jetzt wieder niederlegen wollen und auch sollen, aber ich fühlte sonderbarerweise nicht die geringste Spur von Müdigkeit. Darum ging ich jetzt wieder hinab, um zunächst nach meinem Halef zu sehen, von dem ich heut noch nichts vernommen hatte. Hanneh war bei ihm. Er hatte soeben die Augen aufgeschlagen und richtete sie auf mich, als ich mich bei ihm niederließ. Ein liebes, liebes Lächeln ging über sein eingefallenes Gesicht.
    „Sihdi, gib mir deine Hand!“ flüsterte er. „Ich muß sie küssen!“
    Ich kannte ihn und wußte, daß ich ihm diese Liebe nicht verweigern durfte. Er führte meine Hand an seine Lippen und hielt sie dort so fest, wie es ihm möglich war. Dabei hielt er die Augen wieder geschlossen.
    „Sihdi, wo – – – wo bist du gewesen?“ fragte er leise. „Aus deiner Hand strömt – – – Leben – – – Kraft – – – und Genesung! Warst du vielleicht – – – im Schlafe dort, wo – wo – – – wo – – –“
    Er sprach nicht weiter, sondern er schlief ein.
    Dann ging ich wieder durch den Garten und nach der Pferdeweide dahinter. Es war etwas in mir, was mich drängte, die dort so nahen Ruinen einmal in größerer Deutlichkeit als bisher vor mir liegen zu haben. Ich ahnte, daß in ihnen der Anfang des Endes liege, dessen Fäden jetzt in meine leider noch so schwache Hand gegeben waren. Das Gehen fiel mir heut schon wieder leichter als noch gestern. Meine kräftige Natur begann sich geltend zu machen. Die Pferde seitwärts lassend, wendete ich mich der Stelle des alten Mauerwerks zu, wo die letzten Büsche des Weidelandes standen. Dort war einer der zyklopischen Steine zu irgendeinem Zweck aus den Fugen gehoben und auf die hohe Kante gerichtet worden. Er warf nach Nord den Schatten. Da wollte ich mich niedersetzen und das Gemäuer in Augenschein nehmen. Aber es saß schon jemand da – Schakara. Meine Schritte waren im Gras unhörbar gewesen. Sie wurde auf mein Kommen erst aufmerksam, als sie meinen Schatten neben dem des Steins erscheinen sah. Da wandte sie den Kopf, wer es wohl sein möge. Als sie mich erblickte, wollte sie aufstehen, aber ich bat sie, ruhig sitzen zu bleiben, und nahm in ihrer Nähe Platz.
    Sie zeigte nicht die geringste Spur von Verlegenheit, während ein europäisches Mädchen, in derselben Beschäftigung überrascht, gewiß aufgesprungen und davongelaufen wäre. Sie hatte nämlich ihre langen, schweren, dunklen Flechten geöffnet und war soeben dabei, dieses fast überreiche Haar durch den Kamm zu glätten.
    „Laß dich nicht stören, Schakara!“ sagte ich. „Hier bin ich Kurde und nicht Europäer.“
    „Europäer – – –?“ Sie sah mich fragend an. Dann kam es wie Verständnis über sie: „Ist es bei euch eine Schande für die Frauen, ihr Haar vor euren Augen zu berühren?“
    „Zwar keine Schande, aber auch keine Ehre. Unsere Frauen zeigen ihr Haar nur in künstlich geordnetem Zustand.“
    „Künstlich geordnet?“ lächelte sie. „Also ist bei euch diese Ordnung nicht Natur, sondern Kunst? Vielleicht ist das richtig; ich verstehe es nicht.“
    Wie einfach und unbefangen das klang! Wie hell und sorglos sie mich dabei anschaute! Und wie unbedenklich sie dann in ihrer Beschäftigung fortfuhr! Ich richtete mein Auge auf die Ruinen, zunächst ohne weiter zu sprechen. Kein Lufthauch war zu spüren. Es herrschte tiefe Stille, und nur – – – was war denn das? Während Schakara ihr Haar bewegte, war jenes laut knisternde, ganz eigenartige Geräusch zu hören, welches entsteht, wenn elektrische Fünkchen überspringen. Sie bemerkte meine schnelle Kopfbewegung und fragte: „Wolltest du mir etwas sagen, Effendi?“
    „Eigentlich nicht; aber knistert dein Haar stets so, wenn du es ordnest?“
    „Ja. Oft noch viel lauter.“
    „Seit wann?“
    „So lange ich mich besinnen kann.“
    „Kennst du noch andere Personen, bei denen dasselbe Geräusch entsteht?“
    „Nur eine einzige, nämlich Marah Durimeh. So oft ich ihr die langen, weißen Zöpfe flocht,

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