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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ha-Joon Chang
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unangemessen, sondern auch ineffizient – für die Wirtschaft des Landes und das Unternehmen selbst. Der Shareholder-Value ist, wie Jack Welch erst kürzlich einräumte, die »dümmste Idee der Welt«.

Drei: In den reichen Ländern verdienen die meisten Menschen mehr, als ihnen zusteht.

Was sie uns erzählen

    In der Marktwirtschaft werden die Menschen nach ihrer Produktivität entlohnt. Auch wenn flammende Freigeister es nur schwer akzeptieren können, dass ein Schwede für die gleiche Arbeit fünfzig Mal mehr bekommt als sein indischer Kollege, so spiegelt sich darin doch nur die relative Produktivität wider. Versuche, diese Unterschiede künstlich zu nivellieren, etwa durch Einführung eines Mindestlohns in Indien, führen nur dazu, dass Können und Einsatz des Einzelnen ungerecht entlohnt werden. Nur auf einem freien Arbeitsmarkt können Menschen effizient und gerecht vergütet werden.

Was sie uns verschweigen

    Der Lohnabstand zwischen reichen und armen Ländern ergibt sich nicht nur aus der unterschiedlichen Produktivität der Beschäftigten, sondern vor allem aus der Beschränkung der Zuwanderung. Wenn es eine unbeschränkte Immigration gäbe, könnten und würden die meisten Beschäftigten in den reichen Ländern durch Arbeiter aus armen Ländern ersetzt werden. Anders ausgedrückt: Löhne sind überwiegend politisch determiniert. Die Kehrseite der Medaille ist, dass arme Länder nicht arm sind wegen der Armen, die es mit Leichtigkeit mit ihren Pendants in den reichen Ländern aufnehmen könnten, sondern wegen der Reichen, die das eben nicht können. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Reichen in den reichen Ländern sich auf die Schulter klopfen könnten, weil sie so brillant sind. Die hohe Produktivität ist den historisch ererbten kollektiven Institutionen zu verdanken, auf die sie sich stützen können. Den Mythos, dass wir alle nach unserem individuellen Wert bezahlt werden, sollten wir schnellstens über Bord werfen, wenn wir uns eine gerechte Gesellschaft wünschen.

Immer geradeaus … oder im Slalom um Rinder und Rikschas

    Ein Busfahrer im indischen Neu-Delhi verdient etwa 18 Rupien in der Stunde. Sein Kollege in Stockholm erhält etwa 130 Kronen, was im Sommer 2009 etwa 870 Rupien entsprach. Der schwedische Fahrer verdient also fast das Fünfzigfache seines indischen Kollegen.
    Marktliberale erklären uns, dass etwas, das teurer ist als ein vergleichbares Produkt, auch besser sein muss. In freien Märkten wird für Produkte (einschließlich der Arbeitskraft) so viel bezahlt, wie sie wert sind. Wenn also ein schwedischer Fahrer, nennen wir ihn Sven, fünfzig Mal so viel verdient wie der indische Fahrer, nennen wir ihn Ram, muss es daran liegen, dass Sven als Busfahrer fünfzig Mal produktiver ist als Ram.
    Kurzfristig, so räumen auch Marktliberale ein (wenngleich nicht alle), kann für ein Produkt auch ein überzogener Preis bezahlt werden, weil es gerade der letzte Schrei ist. So blätterten im jüngsten Finanzmarktboom (der zu einer der größten Rezessionen seit der Großen Depression wurde) Leute für jene »faulen Wertpapiere« aberwitzig viel Geld hin, weil sie sich vom Spekulationswahn anstecken ließen. Allerdings, so würde die Argumentation lauten, kann so etwas nicht lange andauern, weil die Leute den echten Wert früher oder später erkennen (siehe Nr. 16). Wenn dementsprechend ein schlecht qualifizierter Mensch es irgendwie schafft, einen gut bezahlten Job zu ergattern, indem er zum Beispiel ein Zeugnis fälscht oder im Vorstellungsgespräch blufft, wird er bald entlassen und durch jemand Qualifizierten ersetzt, denn es kommt schnell heraus, dass er nicht über die dem Gehalt angemessene Produktivität verfügt. Nach dieser Argumentation muss Sven, wenn er fünfzig Mal mehr verdient als Ram, auch fünfzig Mal mehr leisten als Ram.
    Aber ist das wirklich so? Ist es überhaupt möglich, dass jemand fünfzig Mal besser Bus fährt als jemand anders? Selbst wenn es uns irgendwie gelingt, die Qualität eines Busfahrers zu quantifizieren, ist dann ein so hohes Produktivitätsgefälle überhaupt möglich? Wenn wir einen Profirennfahrer wie Michael Schumacher oder Lewis Hamilton mit einem besonders unerfahrenen Achtzehnjährigen vergleichen, der gerade erst seine Führerscheinprüfung bestanden hat, vielleicht schon. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein normaler Busfahrer fünfzig Mal besser fahren sollte als ein anderer.
    Dazu kommt, dass Ram sehr wahrscheinlich mehr kann

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