23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
Umverteilung des Einkommens nach oben und nicht etwa Wohlstand für uns alle, wie man uns gern weismachen will (siehe Nr. 13 und 20).
Was der Weltwirtschaft widerfahren ist, war kein Unfall oder das Wirken einer unaufhaltsamen historischen Kraft. Nicht ein eisernes Gesetz des Marktes ist dafür verantwortlich, dass für die meisten Amerikaner die Löhne bei steigender Arbeitszeit seit Längerem stagnieren, während die Spitzenmanager und Topbanker ihre Bezüge kräftig erhöht haben (siehe Nr. 10 und 14). Es ist nicht nur der unaufhaltsame Fortschritt der Kommunikations- und Transporttechnik, der uns der wachsenden Macht des internationalen Wettbewerbs aussetzt und uns um unseren Arbeitsplatz fürchten lässt (siehe Nr. 4 und 6). Es wäre durchaus vermeidbar gewesen, dass sich der Finanzsektor in den letzten drei Jahrzehnten zunehmend von der Realwirtschaft losgelöst und schließlich die wirtschaftliche Katastrophe herbeigeführt hat, die wir heute erleben (siehe Nr. 18 und 22). Es liegt nicht nur an unveränderlichen strukturellen Faktoren – tropisches Klima, Standortnachteile oder ein ungünstiges kulturelles Umfeld -, dass die armen Länder arm sind (siehe Nr. 7 und 11).
Für die Ereignisse sind menschliche Entscheidungen verantwortlich, insbesondere die Entscheidungen derer, in deren Macht es liegt, die Regeln zu ändern. Zwar kann sich ein einzelner Entscheidungsträger nie sicher sein, ob die politischen Maßnahmen die erwünschten Ergebnisse herbeiführen, doch die Entscheidungen, die getroffen wurden, sind durchaus nicht alternativlos. Wir leben nicht in der bestmöglichen Welt. Wenn gewisse Entscheidungen anders gefallen wären, so hätte sich die Welt auch anders entwickelt. Vor diesem Hintergrund müssen wir fragen, ob die Entscheidungen, die die Reichen und Mächtigen treffen, auf vernünftigen Schlussfolgerungen und belastbaren Belegen gründen. Nur dann können wir von Unternehmen, Staaten und internationalen Organisationen »richtiges« Handeln fordern. Treten wir nicht als aktive ökonomische Bürger auf, werden wir immer Opfer derjenigen sein, die über die Macht verfügen, Entscheidungen zu fällen, und die uns weismachen, dass alles genau so sein muss und sich nicht ändern lässt, so unangenehm und ungerecht es uns auch vorkommt.
Dieses Buch soll aufzeigen, wie der Kapitalismus wirklich funktioniert und wie er noch besser funktionieren könnte. Es ist weniger als eine »Volkswirtschaftslehre für Dummies«, denn ich gehe kaum auf Fachwissen ein, das schon das grundlegendste Lehrbuch erklären müsste. Nicht, dass ich bezweifle, dass Sie dem folgen könnten: 95 Prozent der Volkswirtschaftslehre ist gesunder Menschenverstand, der unnötig verkompliziert wurde, und auch die verbleibenden fünf Prozent, also die wesentlichen Schlussfolgerungen, wenn nicht gar alle fachlichen Details, lassen sich mit einfachen Worten erklären. Ökonomische Prinzipien sind meiner Ansicht nach am eingängigsten, wenn man damit Probleme erklärt, die den Leser besonders interessieren. Deshalb führe ich fachspezifische Begriffe nur ein, wenn sie wichtig sind, und nicht etwa systematisch wie ein Lehrbuch.
Obwohl dieses Buch für fachfremde Leserinnen und Leser absolut verständlich ist, ist es dann doch wieder mehr als eine »Volkswirtschaftslehre für Dummies«. Es schürft erheblich tiefer als manch ein Fachbuch, da es viele allgemein akzeptierte Wirtschaftstheorien, die in zahlreichen Monografien als gegeben hingenommen werden, infrage stellt. Leserinnen und Leser, die nicht vom Fach kommen, würden es wohl kaum wagen, Theorien anzuzweifeln, die von »Experten« vertreten werden, und empirische Fakten zu hinterfragen, die von den meisten Fachleuten auf dem Gebiet akzeptiert werden. Doch sie werden feststellen, dass es in Wahrheit viel einfacher ist, als es klingt, wenn man erst einmal aufgehört hat, blind zu glauben, was die meisten Fachleute uns weismachen wollen.
Zu den wenigsten Fragen, die ich in diesem Buch anschneide, gibt es einfache Antworten. Ja, in vielen Fällen will ich darauf hinaus, dass es keine einfache Antwort darauf gibt – anders, als die Vertreter der freien Marktwirtschaft uns glauben machen wollen. Doch wenn wir uns diesen Fragen nicht stellen, werden wir auch nicht erkennen, wie die Welt wirklich funktioniert. Und nur wenn wir das begreifen, können wir als aktive ökonomische Bürger für unsere eigenen Interessen und vielleicht sogar für das Allgemeinwohl eintreten.
Eins: Den
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