2305 - Jagd auf die Dunkelkapsel
behielt sich gerne Reserven. Dies war schließlich nur eine Befragung unter verschärften Bedingungen.
Er ließ die erfassten Emotionen erblühen. Jetzt. Erwartungsgemäß fiel der junge Terraner zu Boden. Schrie. Litt.
Doch nur für einen Moment.
Denn augenblicklich verging die Blüte, wurde zum Zerrbild ihrer selbst, raste auf ihn zu – und verwuchs mit seinem eigenen Geist.
Er spiegelt die Endogene Qual!, dachte Zerberoff verwundert, bevor es ihn überkam.
Der Duale Kapitän verlor die Gewalt über seinen Körper. Überschüttet von gierig hochlodernden, unendlich verstärkten Gefühlen, konnte er nicht lange widerstehen.
Er keckerte wie ein hilfloses Küken.
Webte mit dem Kopf wie ein neugeborener Schlangeling. Schrie zweistimmig.
Schreckliche, oh so widerliche Endogene Qual! Am eigenen Leib erlebt.
Schutzreflexe, ein halbes Leben lang eintrainiert, griffen. Irgendwie, irgendwann während des tausend Ewigkeiten langen Sturzes zu Boden schaffte er es, den Dunkelschirm seines Anzugs zu aktivieren.
Er würde ihn nach außen hin schützen, gegenüber diesem widerlichen Geschöpf, das ihm vermittelte, was eigentlich ihm zugedacht gewesen war. Er wollte Marc London hassen, ihm seine ganze Verachtung ins Gesicht brüllen – und es misslang.
Denn er war gefangen. Umschlungen von Blatt- und Wurzelwerk der Endogenen Qual und von der selbst erzeugten Blüte hypnotisiert.
Schmerzen ließen sich aushalten und übertauchen, keine Frage. Denn irgendwann wurde das Außergewöhnliche zur Normalität, wurden die Nerven stumpf, gewöhnte sich selbst der Geist an jegliches Leid. Der Schmerzenstod war schließlich nur das Zeichen des Körpers, den Widerstand aufgeben zu wollen.
Doch hier, im Spiegelbild der Endogenen Qual, wurden Erinnerungen wach.
Erinnerungen an eine Zeit, in der er noch nicht am Leben gewesen war. Der endlose Schock, in dem er gefangen war, öffnete ihm ein Fenster über Zeit und Raum. Zerberoff blickte zurück in eine Epoche, in der es ihn nicht gegeben hatte ...
9.
Daellian hetzte wie eine Furie durch die Labors und Sitzungssäle. Er quälte seine Assistenten und Forschungsleiter mit der ihm eigenen Penetranz, untersagte jeglichen Gedanken an Schlaf, zog sich den Hass unzähliger Mitarbeiter zu.
Es scherte ihn nicht.
„Es würde mich nicht wundern, wenn sogar NATHAN um ein wenig Pause für seine überhitzten Eingeweide bitten würde", sagte Rudnor erschöpft. „Das geht so nicht weiter, Malcolm! Irgendwann ist selbst der ausdauerndste Mensch leer gebrannt." Er stopfte Kaupastillen in den Mund und gähnte.
Daellian dachte nach. Er erinnerte sich an das Experimentalraumschiff, in dem er verbrannt war. Er wusste, dass ihn sein unbändiger Wille am Leben erhalten hatte. Zähheit war damals das Einzige gewesen, was ihm zur Verfügung gestanden hatte.
„Sie können mehr leisten, wenn sie wirklich wollen", sagte er zu Rudnor.
„Der Wille des Menschen ist etwas Unglaubliches, das jedes Hindernis überwindet. Wenn es etwas in uns gibt, was uns von anderen unterscheidet, dann ist es wohl die Kraft, gegen jeglichen Widerstand weiterzumarschieren und niemals aufzugeben."
„Fein. Aber du bist nicht gut mit pathetischen Worten." Rudnor zwinkerte heftig, behielt die Augen letztlich geschlossen. „Versuch’s mal mit Pragmatismus: Gönn dem einen oder anderen ein paar Stunden Schlaf. Danach sind sie mit neuem Elan bei der Sache."
„Es gibt kein Danach!", fuhr Daellian ihn an. „Ich brauche jetzt Ergebnisse und Daten. Nicht in einem Tag oder in zwölf Stunden, sondern augenblicklich!"
Er blickte auf die tabellarische Aufstellung jener zusätzlichen Orter, die im gesamten Sonnensystem errichtet beziehungsweise in Position gebracht wurden.
Besonderen Wert im zusätzlichen Überwachungsraster legte er selbstverständlich auf die Kernbereiche. Die Solare Residenz, der TLD-Tower, die Waringer-Akademie, Forschungszentren, Logistikzentren, Raumhäfen, Bodenforts, wichtige militärische Einrichtungen und weitere sensible strategische Punkte wurden derzeit in aller Heimlichkeit aufgerüstet.
Vielfach so, dass nicht einmal die örtlichen Befehlshaber oder Verantwortlichen wussten, was eigentlich um sie herum geschah.
„Was hältst du von den Beschreibungen, die Marc London im Memo an seine Schwester Monique weitergeben wollte?"
„Du fragst mich um meine Meinung?"
Verwundert riss Rudnor die Augen auf.
„Bekomme ich nun eine Antwort?"
„Diese Träume müssen für ihn schlichtweg
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