2306 - Die Kristallbörse
Emanuel, las sie. An Bord von LEprachtvoll seit dem ...
„Hört mich an! Der Herr hat zu mir gesprochen und befohlen, euch seine Botschaft zu verkünden. Lasst ab von eurem Tun, denn euer Weg ist der falsche Pfad! Satan hat euch ..."
„Der ist verrückt!", entfuhr es Inez.
„Ein religiöser Spinner, das hat uns gerade noch gefehlt! Warum rufst du ihn nicht zurück, Roi Danton? Weshalb holst du den Idioten nicht da raus, verdammt nochmal?"
„Pssst!", machte der Kämmerer, ohne sie anzusehen.
Der Wahnsinnige redete weiter. Er sprach ins Leere und redete von Gott, dem Teufel und den Wegen Satans. Er schwafelte von Erlösung und Buße, wie es die Jünger Gon-Orbhons nicht ärger hätten tun können, und dass es für die Erpresser noch nicht zu spät sei. Nicht zu spät zur Umkehr. Nicht zu spät, um den ...
Ihre Antwort war ein Energiestrahl, der ihn mitten im Satz verstummen ließ. Sie hatten ohne Vorwarnung geschossen, ohne ein Wort.
Inez sah, wie er fiel und mit einem klaffenden, schwarzen, rauchenden Loch in der Brust reglos am Boden liegen blieb. Tot. Die Augen waren offen, und um den Mund des Mannes spielte ein erfrorenes, seltsam glückliches Lächeln. Sie lachte wie irr. Sie spürte einen Schauder und wie ihre Kehle sich zuzog. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Fremden wirklich zu allem bereit waren, dann hatten sie ihn hiermit erbracht. Ein Menschenleben zählte für sie nichts. Und ob eines oder Hunderte – was für einen Unterschied sollte das für sie machen?
Drei Minuten; zwei ...
„Was wolltest du vorhin sagen, Solomon?", fragte Danton. Ruhig, unbewegt! Wer war hier verrückt?
„Dass wir es jetzt wissen", sagte Gill.
„Dass die Erpresser real existieren. Sie haben auf ihn reagiert."
Inez starrte ihn fassungslos an.
„Und wenn auch das eine Simulation ist?", fragte Danton.
Sie drehte den Kopf und sah ihn an.
Und jetzt fragte sie sich nur noch, ob nicht doch sie verrückt war. Entweder die Welt oder sie. Wahrscheinlich sie.
Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Gleich würde es egal sein.
Es ging zu Ende. Noch eine Minute.
Jetzt tickten nur noch die letzten Sekunden ihren Todescountdown herab.
Sie hatte sich nie gefragt, was sie in der letzten Minute ihres Lebens machen sollte. Wie es sein würde. Sah man wirklich sein Leben tatsächlich noch eimal an sich vorüberziehen? Oder klammerte man sich an die irrationale Hoffnung auf ein Wunder?
Danton hätte es vielleicht noch in der Hand gehabt. Aber er saß da und tat nichts.
Inez Hatcher konnte nur noch eines tun.
Sie schloss die Augen, um die aus den Angeln geratene Welt nicht mehr sehen zu müssen. Nur das Hören konnte sie nicht abstellen. Gleich würde ihnen allen das Lebenslicht ausgeblasen werden – und Danton und ihr Partner redeten über Simulationen und Wahrscheinlichkeiten ...
*
Inez zählte still mit: zehn ... neun ... acht ...
Es war vorbei. Dies war das Ende.
Ihr Leben war viel zu kurz gewesen.
Sie hatte gewusst, dass sie bei einem Einsatz umkommen konnte, als sie sich beim TLD bewarb. Sie war das Risiko eingegangen, für ihre Überzeugung, für die Liga, deren stolze Bürgerin sie war.
Aber doch nicht so! Nicht so verdammt ohne jeden Sinn!
... fünf, vier ...
„Tut doch etwas!", schrie sie. „Haltet endlich das Maul und macht was!"
Roi Danton sah sie an. Sein Gesicht war hinter der Maske verborgen – was zeigte es? War da überhaupt eine Regung in ihm? War er überhaupt noch wie ein menschliches Wesen?
... zwei ...
Es war aus. Aber sie sprang auf. Sie schrie, dass sie nicht sterben wolle, nicht jetzt und nicht so! Sie stürzte sich auf Roi Danton und rüttelte hart an seinen Schultern.
... eins!
„Es ist Wahnsinn! Es ist nicht ...!"
Die Explosion schien die Holokugel zu zerreißen. Grelles, ultrahell strahlendes Licht blendete die TLD-Agentin. Ihre Schreie erstarben in einem Meer aus Chaos, Grelle und Lärm. Sie spürte, wie der Boden sich unter ihr aufbäumte, als wolle er platzen. Sie sah nichts mehr, nur rote Blitze, verlor das Gleichgewicht, fiel und blieb wie von einer Riesenfaust gefällt liegen.
Sie haben die Bomben gezündet. Ich lebe noch. Wann reagiert der Khalumvatt? Wann kommt der zweite Schlag, der letzte, der endgültige?
Es war geschehen. Was hatte Danton gewonnen? Wofür hatte er sich geopfert? Wofür sie alle? Sie würde es nicht mehr erfahren. Jeden Moment musste es zur katastrophalen Reaktion des Hyperkristalls kommen, einer
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