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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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seine Arbeit zu konzentrieren, wenn so viele Menschen so schlecht dran sind.
    Also muss man etwas unternehmen.
    »Warum ist das so?«, fragte Swan Zasha, weil sonst niemand zur Verfügung stand. Z war gerade damit beschäftigt, oben in Grönland bei irgendeinem Projekt mitzuhelfen.
    »Es gab nie einen Plan«, antwortete Zasha in ihrem Ohr. Darüber hatten sie doch bereits geredet, schien Zs geduldiger Tonfall zum Ausdruck zu bringen. »Wir haben immer mit der jeweils aktuellen Krise zu tun. Und alte Gewohnheiten sterben schwer. Mindestens während der letzten fünf Jahrhunderte hätten alle Erdbewohner einen vernünftigen Lebensstandard haben können. Seitdem verfügen wir über Möglichkeiten und Ressourcen, die unseren Bedürfnissen entsprechen. Wir hätten es schaffen können. Aber darum ging es nie, also ist es auch nie passiert.«
    »Aber warum nicht jetzt, wo uns so viele Möglichkeiten offenstehen?«
    »Ich weiß es nicht. Es ist einfach nicht dazu gekommen. Die Leute haben wohl zu viel von dem alten Gift in ihren Köpfen. Außerdem ist Verelendung eine Taktik zur Erzeugung von Angst. Wenn eine Bevölkerung dezimiert wird, macht das die restlichen neunzig Prozent gefügig. Sie haben gesehen, wozu es kommen kann, und nehmen, was sie kriegen.«
    »Aber stimmt das denn?«, rief Swan. »Ich glaube das nicht! Warum sollten die Menschen nicht entschlossener kämpfen, wenn sie das erst einmal erkannt haben?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht hätte es dazu kommen können, aber stattdessen haben der Anstieg des Meeresspiegels und die Klimakatastrophen alles viel schwerer gemacht. Es gibt immer irgendeine Krise.«
    »Na schön, aber warum nicht jetzt?«
    »Klar, aber wer soll es machen?«
    »Die Menschen würden es um ihrer selbst willen machen, wenn sie könnten!«
    »Sollte man meinen.«
    »Ich meine das jedenfalls, weil es wahr ist! Wenn sie es nicht tun, dann hält man sie irgendwie davon ab. Irgendwer hält ihnen eine Pistole unter die Nase.«
    Lange Zeit schwieg Zasha, gedanklich offenbar mit etwas anderem beschäftigt. Schließlich kam die Antwort: »Wenn Gesellschaften unter Druck sind, dann stellen sie sich ihren Problemen angeblich nicht, sondern schauen stattdessen weg, setzen sich Scheuklappen auf und verdrängen ihre Probleme. Die Leute tun so, als wäre das historisch Gewordene natürlich, und spalten sich in Stämme auf. Anschließend kämpfen sie angesichts vermeintlicher Engpässe um Ressourcen. Man sagt, dass die Menschen niemals die Hungerpaniken Ende des 21. Jahrhunderts verwunden haben, oder die während der Kleinen Eiszeit. Zweihundert Jahre sind seitdem vergangen, und trotzdem handelt es sich nach wie vor um ein tief sitzendes weltweites Trauma. Und tatsächlich gibt es hier nach wie vor keinen besonders großen Nahrungsmittelüberschuss, weshalb es sich in gewisser Weise um eine durchaus vernünftige Sorge handelt. Die Erdenmenschen balancieren auf der Spitze eines Konglomerats von Behelfsmitteln, die alle funktionieren müssen, damit der Laden läuft. Sie stehen auf einer Art Turm von Babel.«
    »Aber das ist überall anders genauso!«
    »Sicher, sicher. Aber hier gibt es so viele Menschen.«
    »Das ist wahr.« Swan schaute auf die Menschenmassen, die sich durch die Medina drängten. Jenseits der Stadtmauer bückten sich Arbeiter in unregelmäßigen Reihen beim Erdbeerpflücken. »Es ist so heiß und schmutzig, und so verdammt schwer hier. Vielleicht ist es einfach der Planet, der sie niederdrückt, und nicht ihre Geschichte.«
    »Kann sein. Es ist einfach so, Swan. Du bist doch nicht das erste Mal hier.«
    »Ja, aber das erste Mal hier.«
    »Warst du schon mal in China?«
    »Natürlich.«
    »Indien?«
    »Ja.«
    »Tja, dann hast du das doch alles gesehen. Und was Afrika betrifft, angeblich handelt es sich in Sachen Fortschritt um ein Fass ohne Boden. Hilfe von außen verschwindet einfach darin, ohne dass sich das Geringste verändert. Man sagt, dass die Sklavenhändler den Kontinent vor langer Zeit ruiniert haben. Er steckt voller Krankheiten und ist vom Temperaturanstieg ausgedörrt. Da kann man nichts machen. Die Sache ist nur die, dass inzwischen überall die gleichen Verhältnisse herrschen. Die industriellen Rostgürtel sind genauso schlimm dran. Man könnte behaupten, dass die ganze Erde inzwischen ein Fass ohne Boden ist. Man hat ihr das Mark ausgesaugt, und der Großteil der oberen Klassen ist längst auf den Mars ausgewandert.«
    »Aber das muss doch nicht so sein!«
    »Eigentlich

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