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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Geparden zu sehen, denn normalerweise schienen diese Tiere zu schlafen. Es sah aus, als versuchte diese Mutter, ihren Jungen das Jagen beizubringen. Sie drückte eines mit der Pfote herunter, damit es flach auf dem Boden lag. Der Chiralwind rauschte von links herab, sodass er auf der windabgewandten Seite der Raubkatzen saß; sie würden ihn nicht riechen. Zumindest machte es den Eindruck, obwohl die Sinne vieler Tiere genau genommen so scharf waren, dass Menschen im Vergleich taub und blind wirkten.
    Er ließ sich nieder, um zuzusehen. Die Jungen, deren Fell noch scheckig war, wirkten verwirrt, als begriffen sie nicht, dass man ihnen etwas beibringen wollte. Sie kämpften miteinander und wollten wahrscheinlich viel lieber spielen. Der Zeitraum, in dem das Gehirn am stärksten wuchs, war auch der Zeitraum der größten Verspieltheit.
    Auch die Geparden befanden sich auf der windabgewandten Seite der Hirsche, die kein bisschen beunruhigt wirkten, sich ihnen sogar näherten. Die Geparden-Mutter kauerte sich ins Gras, und nun taten ihre Jungen es ihr mit nervös zuckenden Schwänzen nach.
    Dann schnellte die Mutter in einem Wirbel von Grashalmen los, und die Jungen setzten ihr hinterher. Die Hirsche stoben in weiten, hohen Sätzen auseinander und ließen die Geparden in einer Staubwolke zurück; doch dann mussten die Hirsche ein Baumgrüppchen umrunden, und die Gepardin erwischte das letzte Tier der Gruppe und riss es zu Boden. Die beiden verwandelten sich in ein Fellknäuel, bei dem die Gepardin schließlich oben lag, die Zähne fest in die Wirbelsäule des Hirschs geschlagen. Der Hirsch bäumte sich noch einmal kurz auf, dann lag er still. Der Anblick des roten Bluts war wie immer ein leiser Schock. Die Jungen kamen nach, und Wahram fragte sich, ob sie bei der Lektion etwas gelernt hatten, außer dass sie erwachsen werden und schnell rennen mussten.
    Er stellte fest, dass er aufgestanden war. Im nächsten Moment sah er links von sich eine Bewegung und erkannte, dass es sich um einen Menschen handelte: Swan. Überrascht winkte er ihr zu, und sie hob das Kinn, während sie der Gepardin weiter beim Töten zusah. Nun zeigte die Mutter ihren Kätzchen, wie man einen Hirsch frisst. Nicht, dass sie dafür viel Anleitung benötigt hätten. Wahram beobachtete die Szene. Der erleuchtete Bereich des Sonnenstreifens befand sich derzeit weit vorne im Bug des Terrariums, das Licht fiel schräg ein und hatte eine Sonnenuntergangsfärbung. Die Grasbüschel wiegten sich im Wind. Es kam ihm vor, als habe er an etwas Uraltem teil.
    Swan kam zu ihm herüber und stieg auf die Felsformation. Es war ihm unangenehm, dass man ihn hier allein antraf, was nicht in allen Parks legal war und im Allgemeinen als unvernünftig galt. Andererseits war sie schließlich auch allein.
    Er nickte ihr zur Begrüßung zu, förmlich, aber nicht unfreundlich. »Man hat nur selten das Glück, so etwas zu beobachten«, bemerkte er, als sie sich näherte.
    »Ja«, sagte sie. »Sind Sie allein hier?«
    »Das bin ich. Und Sie?«
    »Ja, allein.« Sie beäugte ihn neugierig. »Ich muss gestehen, dass es mich überrascht, Sie hier anzutreffen. Ich wusste nicht, dass Ihnen so etwas gefällt.«
    »Auf dem Merkur gab es kaum eine Gelegenheit, das herausfinden.«
    Sie deutete auf die Raubkatzen. »Machen Sie sich keine Sorgen?«
    »Meiner Erfahrung nach haben sie Angst vor Menschen.«
    »Aber wenn sie Hunger haben?«
    »Den haben sie nie, das ist es ja. Es gibt so viel leichte Beute.«
    »Das ist wahr. Aber wenn sie noch nie zuvor einem Menschen begegnet sind, würden sie Sie einfach für eine Art Schimpansen halten. Sicherlich sehr schmackhaft. Eine Delikatesse. Man hört, dass so etwas vorkommt. Sie haben es nie erlebt, gejagt zu werden.«
    »Mir ist bewusst, dass wir für sie zu Beute werden könnten«, sagte Wahram. »Für den Fall habe ich eine kleine Betäubungspistole dabei. Sie nicht?«
    »Nein, ich nicht«, gab sie nach kurzem Zögern zu. »Ich meine, manchmal habe ich eine dabei, aber in erster Linie, um nicht die Nacht im Gefängnis zu verbringen.«
    »Allerdings.«
    Sie legte den Kopf schief, als lauschte sie einer Stimme in ihrem Ohr. Ihr Qube war implantiert. Alex hatte ihm davon erzählt, damals, als die Idee gerade in Mode war. »Wo wir gerade beim Thema Essen sind«, sagte sie, »wollen wir uns etwas holen?«
    »Mit Vergnügen.«
    Sie kehrten zum Außenzaun zurück. Bei dem Häuschen hatte sich inzwischen eine kleine Gruppe eingefunden. Als die Leute Swan

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