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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Innentasche im Helm hervorschieben lassen konnte, um etwas abzubeißen und herunterzuschlucken. Swan tat beides. Sie pinkelte in die Windel ihres Anzugs.
    »Wahram, hast du eigentlich ein bisschen Hunger?«
    »Nein, keinen.« So wie er klang, schien er sich auch nicht besonders wohlzufühlen.
    »Ist dir wieder übel?«
    »Ja.«
    »Das ist nicht gut. Warte, ich stabilisiere uns im Verhältnis zu den Sternen. Du wirst ein leichtes Ziehen spüren. Vielleicht solltest du lieber die Augen schließen, bis ich uns zur Ruhe gebracht habe.«
    »Nein.«
    »Alles klar, wir werden ohnehin nicht besonders schnell sein. Los geht’s.« Sie gab einen Düsenstoß ab, um ihr Drehmoment abzubremsen, was mit Wahrams Masse, die locker an ihrer Seite hing, nicht ganz einfach war. Es war besser, ihn zu umarmen und sein Gewicht vor sich zu haben. Das tat sie und drückte ihn dabei ein winziges bisschen. Er antwortete nur mit einem leisen, klagenden Brummen. Swan brachte sie im Verhältnis zu den Sternen in eine mehr oder weniger stabile Lage und richtete sie so aus, dass sie die Venus sehen konnten. Sie lag nach wie vor im Schatten. Wenn der Sonnenschild zerstört oder auch nur beschädigt worden wäre, hätten sie es gesehen, da war sie sich sicher. Sie hätten irgendeine Art Halbmond gesehen oder vielleicht einen weiß lodernden Bereich; und da sie sich seitlich des Schirms befanden, den das Geschoss hatte treffen sollen, war es ihres Erachtens nicht möglich, dass ein erleuchteter Teil der Venus vollständig auf der anderen Seite des Planeten liegen konnte. Oder vielleicht war es doch möglich; sie war desorientiert, das musste sie zugeben. Aber es machte den Eindruck, als sei der Anschlag vereitelt worden.
    »Pauline, hast du irgendeine Ahnung, was aus dem Schiff und dem Sonnenschild geworden ist?«
    »Bei den Berichten, die über Funk hereinkommen, handelt es sich noch um die ersten Reaktionen, aber sie lassen vermuten, dass es wie vorhergesehen zu einer Kollision gekommen ist zwischen der ETH Mobile und einer Steinchenzusammenballung, die etwa die vierfache Masse des Schiffs hatte. Das entspricht hinreichend genau den Vorhersagen, und das Schiff war schneller als die Steinchen, ausreichend, um den Großteil der Aufschlagmasse seitlich von dem Schirm abzulenken.«
    »Also hat es funktioniert.«
    »Abgesehen davon, dass ein Teil der ausgestoßenen Trümmer das Schiff in unserer Nähe getroffen hat, dessen Explosion wiederum Bruchstücke ins All geschleudert hat, von denen eines Wahram getroffen hat.«
    »Ja, natürlich. Aber das war bloß Pech.«
    »Zweifellos sind mehrere Personen auf diesem nahen Raumschiff ums Leben gekommen.«
    »Das weiß ich. Es war wirklich Pech. Von einem Granatsplitter getroffen, sozusagen. Aber der Sonnenschild ist gerettet?«
    »Ja. Und das Verteidigungssystem des Sonnenschilds hat anscheinend die Trümmerstücke, die auf ihn zugeflogen sind, zerstört.«
    »Jetzt glaubt seine KI also an die Steinchenattacken.«
    »Oder zumindest an die Einschlagkörper, die sich ihr nähern. Ich weiß nicht, was für ein Problem sie zuvor hatte.«
    »Wusste die KI von diesem neuen, hochauflösenden Bildsystem von Wang?«
    »Wang hat den Venusianern davon erzählt, aber ihr Verteidigungssystem ist geschlossen, damit sich niemand daran zu schaffen machen kann. Ich weiß nicht, ob es sich an dem neuen Überwachungssystem beteiligt hat oder nicht.«
    »Vielleicht ist es leichter, sich an einem geschlossenen System zu schaffen zu machen, als an einem offenen. Ist es möglicherweise kompromittiert?«
    »Das halte ich für unwahrscheinlich. Es steht unter der Kontrolle der Venus- Arbeitsgruppe , von der man weiß, dass sie viel Wert auf Sicherheit legt.«
    Wahram beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Swan hielt seine Hand und drückte sie von Zeit zu Zeit. Mehr gab es für sie nicht zu tun. Er erwiderte den Druck für einen kurzen Moment, dann wurde seine Hand wieder schlaff.
    »Geht es dir gut?«
    »In Ordnung«, antwortete er.
    »Hast du versucht, etwas zu essen?«
    »Noch nicht.«
    »Zu trinken?«
    »Noch nicht.«
    Sie trieben in der Schwärze des Raums, schwerelos und warm, wie kleine Venusmonde oder selbst wie kleine Planeten, die um die Sonne kreisten. Die Situation, in der sie sich befanden, war zuweilen schon als eine Art Heimkehr in den Mutterleib beschrieben worden, als amniotischer Rausch. Wenn man ein paar entheogene Drogen nahm, konnte man zu einem Sternenkind werden. Und tatsächlich war es kein so entsetzlicher

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