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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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furchtlos.
    »Was meinst du, wann ist es so weit?«, fragte Swan, während sie dem weißen Punkt nachsah, von dem sie vermutete, dass es sich um die ETH Mobile handelte.
    »Bald, würde ich meinen«, antwortete er.
    Und fast noch während er es sagte, gab es einen Lichtblitz in dem Bereich, den Swan ins Auge gefasst hatte. »Das war es.«
    »Mag sein.«
    Danach verging viel Zeit. Eine Stunde … zwei Stunden … drei.
    Dann sagte Wahram: »Sieh mal; da kommt unser Rettungsschiff.«
    Swan verdrehte den Kopf, um über die Schulter zu sehen, und entdeckte eine kleine Raumjacht, die sich ihnen langsam in einem schrägen Winkel näherte.
    »Tja«, sagte sie, »gut.«
    Und die Venus lag immer noch im Schatten. Anscheinend war der Schild gerettet worden. Und sie waren auch gerettet.
    Doch dann explodierte die kleine Jacht direkt neben ihnen. Die durch den Lichtblitz geblendete Swan folgerte beinahe im selben Moment, in dem sie begriff, was passiert war, dass ein Splitter von dem Zusammenstoß der ETH Mobile mit dem Steinchengeschoss in ihre Richtung geflogen war und die Jacht getroffen hatte – pures Pech, vermutete sie, während ihr kleiner Ring von zwanzig Menschen durch irgendetwas auseinandergerissen wurde, wahrscheinlich Gas oder Trümmer von der Jacht, was mit Sicherheit bedeutete, dass es Verletzte gab – wie dem auch sei, in dem Moment, in dem sich die Explosion ereignete, wurde sie sowohl von Wahram als auch von der Person zu ihrer Rechten fortgerissen. Als ihr das klar wurde, rollte sie sich ein und machte einen Salto, um Wahram im Blick zu behalten – sie sah ihn mit ausgestreckten Armen und Beinen davontrudeln, während ein Nebel roter Kristalle aus seinem Bein sprudelte. »Pauline, mach mein Visier sauber«, befahl sie und tastete nach den Düsenkontrollen in ihren Handschuhen. Sie stabilisierte ihre Flugbahn relativ zu Wahram und gab dann vollen Schub in seine Richtung. Für einige Augenblicke flog sie durch ein Feld von Jachttrümmern, sogar ein großes, trudelndes Bruchstück war zu sehen, bei dem es sich wahrscheinlich um ein Viertel des Schiffs handelte, so aufgerissen, dass man die Räume und Wände im Innern sah, wie bei einer Risszeichnung oder einer Puppenstube. Sie musste den Kurs ändern, um heckseitig daran vorbeizusausen und dann ihren Anzug so gut wie möglich wieder auf Wahram auszurichten. Er drehte sich noch immer und war bereits sehr viel kleiner geworden; sie gab vollen Schub. Es wäre wohl eigentlich eine Aufgabe für Pauline gewesen, aber man musste Treibgut und Trümmern ausweichen, weshalb Swan selbst die Kontrolle behielt und Wahram hinterherjagte. Sobald sie aus dem Trümmerfeld heraus war, beschleunigte sie einmal mehr und brachte ihre ganzen Flugkünste zum Einsatz, ohne auf etwas außer ihrem Ziel zu achten. Wahram wurde größer. Swan rief: »Pauline, Hilfe!«
    »Lass mich den Anzug steuern.«
    »Alles klar, nur mach! Mach!«
    »Du gibst bereits maximale Beschleunigung. Ich muss abbremsen, wenn du ein Rendezvousmanöver durchführen willst.«
    »Tu es!«
    Sie schossen inmitten der Sterne dahin. Wahram wurde immer größer. Swan übernahm einmal mehr die Kontrollen, obwohl Pauline Einspruch erhob, und näherte sich ihm so schnell wie möglich, bis zur letzten Sekunde, als sie sich herumwarf und die Anzugdüsen auflodern ließ, während sie beinahe mit ihm zusammenstieß; sie musste ihm mit einem weiteren Düsenschub ausweichen und verfehlte ihn nur um Zentimeter; kurz sah sie sein bewusstloses Gesicht aufblitzen. Sein Mund stand offen. Sie schrie und gab wieder und wieder Schub, ließ den Anzug in einem engen Bogen wenden und flog erneut auf ihn zu. Pauline hätte es nicht besser machen können.
    Sein Anzug hatte ein Loch unter dem linken Knie. Gefrorenes Blut klebte wie ein riesiger Schorf daran. Sie packte ihn an der entsprechenden Stelle und hielt den kleinen Riss zu.
    »Gib mir einen Schlauch, dann pumpen wir Luft ins Bein.«
    Sein eigener Anzug hatte das Leck sicherlich wie mit Druckverbänden abgeschnürt. Sein Unterschenkel war wahrscheinlich bereits gefroren und nicht mehr zu retten, aber die Anzüge waren gut darin, Lecks zu isolieren, und auch in der Behandlung von Schockzuständen. Sie nahm den Schlauch, der aus ihrem Gürtel schaute, und steckte das Ende in das kleine Loch in seinem Anzug; es hatte einen Durchmesser von weniger als einem Zentimeter und war kaum groß genug, um den Schlauch hineinzubekommen. Sie steckte den Finger in das Loch auf der anderen Seite

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