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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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und sagte barsch etwas zu den beiden anderen, in einer Sprache, die sie nicht kannte. Zwischen ihnen fand eine kurze, hitzige Diskussion statt; dieser Kiran war nicht besonders erfreut.
    Schließlich blickte er zu Swan. »Sie wollen dich behalten und Geld für dich fordern. Gib mir eine Sekunde.«
    Ein weiterer hitziger Wortwechsel in der fremden Sprache. Anscheinend machte Kiran die anderen nervös. Sie wirkten in die Ecke gedrängt. Dann trat er an Swan heran, nahm sie beim Oberarm, drückte einmal fest zu, als wollte er ihr dadurch etwas mitteilen, und bedachte die beiden anderen mit einer knappen Kopfbewegung. Er gab ihnen Anweisungen. Die anderen beiden nickten schließlich, und derjenige, der als Erster mit ihr gesprochen hatte, sagte: »Sind bald zurück.« Dann verschwanden die beiden in der Nacht.
    Swan schaute Kiran in die Augen, worauf er das Gesicht verzog und ihren Arm losließ. »Das sind meine Vettern«, sagte er. »Es war keine gute Idee von ihnen.«
    »Eine dumme Idee«, erwiderte Swan. »Sie hätten mich einfach um Hilfe bitten können. Was hast du ihnen gesagt?«
    »Dass ich dich festhalten würde, während sie das Auto ihrer Mutter holen. Du solltest besser von hier verschwinden.«
    »Bring mich zurück«, sagte Swan. »Ich möchte dich dabeihaben, für den Fall, dass sie zurückkommen.«
    Er riss verblüfft die Augen auf und musterte sie genauer. Nach einer Weile sagte er: »Na schön.«
    Schnellen Schritts folgten sie der Straße. »Wirst du dafür in Schwierigkeiten geraten?«, fragte Swan einmal.
    »Ja«, antwortete er düster.
    »Was werden sie tun?«
    »Sie werden versuchen, mich zu verprügeln. Und es den Alten erzählen.«
    Ihre Arme brannten immer noch, wo man sie gepackt hatte, und ihr Gesicht fühlte sich heiß an. Sie betrachtete den missmutigen jungen Mann, der neben ihr herging. Er sah gut aus. Und er hatte sie ohne einen Moment des Zögerns aus einer üblen Klemme befreit. Sie erinnerte sich an den barschen Ton seiner Stimme, als er mit seinen Vettern gesprochen hatte. »Willst du fort von hier?«
    »Wie meinst du das?«
    »Willst du in den Weltraum?«
    Nach einer Pause sagte er: »Könntest du das bewerkstelligen?«
    »Ja«, sagte sie.
    Sie blieben vor Zashas Zuhause stehen, und Swan musterte ihn von oben bis unten. Sein Aussehen gefiel ihr. Er schaute sie mit neugieriger, fragender – mit eifriger Miene an. Ein Schauer überlief sie.
    »Hier wohnt jemand, mit dem ich befreundet bin, jemand aus dem diplomatischen Dienst für den Merkur. Tja … wenn du willst, komm mit rein. Wir können dich nach dort oben bringen, wenn du möchtest.« Sie blickte kurz zum Himmel auf.
    Er zögerte. »Du machst mir keine … keine Schwierigkeiten?«
    »Natürlich mache ich dir Schwierigkeiten. Der Weltraum ist voller Schwie rigkeiten.«
    Sie ging auf Zashas Hütte zu, und einen Augenblick später folgte er ihr. Sie öffnete die Tür. »Zasha?«, sagte sie.
    »Eine Sekunde«, rief Zasha aus der Küche.
    Der Junge starrte sie an. Offensichtlich fragte er sich, ob man ihr trauen konnte.
    Swan sagte: »Sie haben dich Kiran genannt?«
    »Ja, Kiran.«
    »Welche Sprache habt ihr gesprochen?«
    »Telugu. Südindisch.«
    »Was macht ihr hier?«
    »Wir wohnen jetzt hier.«
    Also war er bereits im Exil. Und auf der Erde gab es alle möglichen Bedingungen, damit man als Immigrant irgendwo leben durfte: Möglicher weise erfüllte er die nicht.
    Zasha erschien mit einem Handtuch in der Hand in der Küchentür. »Oho. Wer ist das?«
    »Das ist Kiran. Seine Freunde wollten mich entführen, und er hat mir zur Flucht verholfen. Im Gegenzug habe ich ihm versprochen, ihn von der Erde fortzubringen.«
    »Das ist nicht dein Ernst!«
    »Oh doch. Also … da wären wir. Und ich muss mein Versprechen halten.«
    Zasha musterte Swan skeptisch. »Was soll das, hast du so schnell ein Stockholm-Syndrom entwickelt?« Z schaute zu dem Jungen, der den Blick fest auf Swan gerichtet hielt. »Oder haben wir es mit einem Lima-Syndrom zu tun?«
    »Was soll das sein?«, fragte Kiran, ohne den Blick von Swan abzuwenden.
    Zasha verzog das Gesicht. »Stockholm-Syndrom heißt es, wenn Geiseln Mitgefühl für ihre Entführer entwickeln und sich für sie einsetzen. Lima-Syndrom ist, wenn die Entführer ihre Opfer zu mögen beginnen und sie gehen lassen.«
    »Gibt es keine dritte Möglichkeit?«, fragte Swan unwirsch. »Vielleicht ist er einfach nur froh, heil aus der Sache rauszukommen? Komm schon, Z. Ich habe dir doch gesagt, dass er mich

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