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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Dieser Zusammenschluss wurde alle fünf Jahre auf einer Konferenz bestätigt, und einmal im Jahr gaben die KIs des Mondragon die wirtschaftlichen Einzelheiten bekannt, die allerdings immer wieder nachträglich korrigiert wurden (oft mehr als einmal)
    je länger der Mondragon-Bund Bestand hatte, desto robuster wurde er. Im Vertrauen darauf, dass der Bund für alles Notwendige sorgte, wurden in den einzelnen Siedlungen mehr und mehr individuelle Geschäfte abseits der zentralen Ökonomie abgewickelt, die sogenannten Übererfüller. All das waren Randerschei nungen. Wären nicht der Mars und seine
    so wie der Feudalismus das Residuum auf der Erde ist, so ist der Kapitalismus das Residuum auf dem Mars
    in den Randbereichen selbst wächst und gedeiht der Wohlstand, wodurch auch Bildung und Kultur erblühen
    die Existenz dieser Randökonomie, semiautonom, praktisch unreguliert, anarchisch, voller Lug und Trug und Verbrechen, ließ die Freihändler, Libertären, Anarchisten und noch viele andere frohlocken. Die einen erfreuten sich an dem Bonobo-Tauschhandel, andere am Wildwest-Machismo oder dem Überfluss
    Randkapitalismus ist ein Sport für harte Kerle wie Rugby oder American Football, besonders ansprechend für Leute mit einer leichten Überdosis Testosteron. Andererseits kann es erwiesenermaßen wie Baseball oder Volleyball ein interessantes, sogar schönes Spiel sein, wenn man die Regeln und Gepflogenheiten etwas anpasst. Als Randerscheinung ist es ein legitimes Projekt, eine Form von Selbstverwirklichung, die nicht auf das Lebensnotwendige angewendet werden darf, aber abgesehen davon ein nettes Hobby oder vielleicht sogar eine Kunstform ist
    den Kapitalismus an den Rand zu drängen, war eine der großen marsianischen Leistungen, vergleichbar mit einem Sieg über die Mafia oder andere Banden von Schutzgelderpressern

Wahram und Swan
    W ahram war wieder in Terminator, noch bevor Swan von der Erde zurückkehrte. Die Stadt fuhr gerade durch die gewaltige Ebene des Beethoven-Kraters, und Wahram nahm all seinen Mut zusammen und fragte Swan, sobald sie wieder da war, ob sie mit ihm eine Anlage in der Westwand von Beethoven besuchen würde, um sich ein Konzert anzuhören und sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Er musste zugeben, dass er ziemlich nervös war, als er bei ihr anrief. Aufgrund ihres flatterhaften Temperaments wusste er nicht, was ihn erwartete. Er wusste noch nicht einmal, ob er im Zweifelsfall mit ihr oder mit Pauline nach Beethoven gehen würde. Andererseits mochte er Pauline, sodass das eine hoffentlich ebenso gut sein würde wie das andere. Und mit etwas Glück würde Swan nicht mehr so erpicht darauf sein, alles über Alex’ Pläne bezüglich der Qubes in Erfahrung zu bringen. Dieses Wissen, das hatte Inspektor Genette sehr deutlich gemacht, mussten sie ihr vorenthalten.
    In jedem Fall war die Aussicht darauf, etwas von Beethoven zu hören, Antrieb genug für ihn. Er rief sie an, und Swan erklärte sich bereit, ihn zu begleiten.
    Danach sah sich Wahram das Programm für die Vorstellung an, die sie besuchen wollten, und stellte erfreut fest, dass bei dem Konzert drei sel ten aufgeführte Transkriptionen gespielt werden würden: Zuerst würde ein Bläser-Ensemble eine Bearbeitung der Appassionata -Klaviersonate spielen. Dann gab es Beethovens Opus 134, seine eigene vierhändige Klavierfassung von Opus 133, der Großen Fuge , für Streichquartett. Schließlich sollte ein Streichquartett eine Bearbeitung der Hammerklaviersonate spielen.
    Ein brillantes Programm, fand Wahram, und als er sich an der südlichen Luftschleuse mit Swan traf, überlagerte seine freudige Erwartung völlig sein Unbehagen, das die Begegnung mit ihr und ein Aufenthalt auf Merkurs Oberfläche mit sich brachten. Der Drang nach Westen war immerzu spürbar – vielleicht hatte er sogar etwas Allgemeingültiges, sagte er sich, und richtete seine Gedanken dann ganz auf das Konzert. Vielleicht gab es überhaupt keinen Grund zur Sorge. Die Vorstellung, dass seine Angst vor der Sonne irrational sein mochte, war interessant.
    In dem kleinen Museum in der Westwand Beethovens stellte er zu seiner Überraschung fest, dass es außer ihnen fast kein Publikum gab, abgesehen von den Musikern, die gerade nicht spielten und zum Zuhören in den ersten Reihen saßen. Die Anlage verfügte über eine leere Haupthalle, in die ein paar Tausend Menschen gepasst hätten, aber glücklicherweise fand dieses Konzert in einem Nebensaal mit nur wenigen

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