2342 - In der Kaverne des Laboraten
zudem in eine Raserei verfallen, in der er sich selbst zur Gefahr werden konnte.
Jothadún zögerte nicht. Mit instinktiver Sicherheit schnallte er sich einen Rückenpack um und nahm einen der Kollektoren an sich.
Er sprang in. den Schacht, ließ sich schnell abwärts sinken, viel schneller als sonst.
Einige Steiger trieben durch das undefinierbare Medium. Jothadún erkannte nicht, ob sie bewusstlos waren oder tot.
Der Chaosschacht selbst hatte seine Funktionsfähigkeit behalten. Seine Wandung wurde transparent, während Jothadún tiefer sank. Der Effremi tauchte ein in das ungebändigte Chaos, das ihm tobender vorkam als früher. Auf gewisse Weise genoss er diesen Zustand sogar, der den Einfluss der äußeren Strangeness nach einer Weile überlagerte.
Ewig hätte er so schweben können, nahe dem Ursprung allen Lebens. Kein Zwang mehr, keine erstickende Ordnung...
Irgendwann erreichte er den Grund des Chaosschachts.
Schwerfällig blickte er sich um. Aus einem der Stollen hallten gurgelnde dumpfe Laute heran. Dazu schleifende Geräusche und das Dröhnen starker Erschütterungen.
Nicht allein der Boden, auch die Luft schien zu beben. Intensiv wogte der bittere Raubtiergeruch heran. Jothadún registrierte sofort die Ausdünstung von Panik.
Der Lärm kam aus dem Stollen zu seiner Rechten. Der Gestank wurde stärker, als Jothadún erst wenige Schritte weit eingedrungen war. Er hielt den Kollektorstab fester.
Die beiden toten Schachtsteiger sah er erst, als er schon fast über sie stürzte. Sie waren übel zugerichtet, hatten zweifellos versucht, den tobenden Laboraten zu beruhigen, und waren von ihm an der Wand zerquetscht worden. Ihre Kollektoren lagen deformiert in der Nähe.
Einer der Toten - Jothadún war nahe daran, sich herumzuwerfen und zu vergessen, warum er gekommen war - war Togar Horth. Entsetzt blickte der Effremi den Leichnam des sechsarmigen Kestimen an. „Das ... das wollte ich nicht, Eins", brachte er tonlos hervor. Dann stürmte er weiter, weg von dem toten Freund, dessen Anblick er wohl nie vergessen würde.
Vor ihm tobte der Laborat. Der massige Körper bäumte sich gerade auf und fiel brüllend gegen die Seitenwand, wobei er scharfkantige Gesteinssplitter herausschlug. Entsetzt sah Jothadún die unzähligen klaffenden Wunden, die sich der Laborat auf diese Weise schon zugefügt hatte. Seine Tentakel peitschten zudem auf den eigenen Leib und rissen mit ihren Krallen weitere tiefe Wunden.
Brüllend bäumte sich das Raubtier wieder auf - es witterte den Schachtsteiger. Für einen flüchtigen Moment hoffte Jothadún, der Laborat würde ihn erkennen, aber schon ließ sich das Monstrum fallen. Zwei, drei Schritte vor ihm prallte der massige Leib auf.
Die Erschütterung und der Luftdruck rissen Jothadún von den Beinen. Zugleich versuchte er, seinen Sturz abzufangen, den Kollektor nicht zu verlieren, sich herumzuwälzen und den Tentakeln auszuweichen. Er schaffte es gerade noch, den Stab hochzureißen und zwei Schläge der Krallen damit abzufangen.
Der heftige Ruck, mit dem der Laborat seine Gliedmaßen mitsamt dem Metallstab zurückzog, zerrte Jothadún wieder auf die Beine. Verzweifelt klammerte er sich an dem Kollektor fest, hätte wahrscheinlich gar nicht loslassen können, so verbissen kämpfte er um seinen einzigen Schutz.
Das Gebrüll des Monstrums, das sich erneut ruckartig aufrichtete, machte den Effremi fast taub. In diesem Moment lösten sich die Tentakel von dem Stab.
Eine unglaubliche Ruhe überkam Jothadún. Anstatt zurückzuweichen, machte er sogar einen Schritt vorwärts.
Wenn der Laborat sich jetzt fallen ließ und zubiss, würde er nicht einmal mehr den Schmerz spüren, wenn die Raubtierzähne und die Krallen sich in sein Fleisch gruben.
In den letzten Stunden hatte keiner der Schachtsteiger mehr das Tier gefüttert.
Jothadún presste die ersten Töne hervor.
Heiser und schrill stimmte er die Gesänge des Effremiten-Horsts an, die er zuletzt vor fast eineinhalb Jahren in der Kaverne gesungen hatte.
Zitternd verharrte der Oberkörper des Laboraten über ihm. Jothadúns Töne kamen kreischender, in grellem Diskant.
Mor'Daer und vor allem Ganschkaren wären jetzt fluchend auf ihn eingedrungen, um ihn zum Schweigen zu bringen, der Laborat bewegte sich kaum noch. Das Grollen tief aus seinem Leib wurde dumpfer und verstummte. Vielleicht erkannte er den Gesang. Jothadún wusste es nicht, aber er sang weiter, stimmte die Töne der Hymne an die Chaosmächte an, und seine
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