2346 - Chyndors Weg
Saedelaere so nehmen, wie er war. Er gab sich stets geheimnisvoll - oder war es tatsächlich.
Niemand, nicht einmal Kantirans Vater, konnte zur Gänze nachvollziehen, was der hagere Mensch in seinem Leben alles erlebt hatte.
Der Charakter des Mannes mit der Maske war für Kantiran ebenso geheimnisvoll wie dessen Cappin-Fragment. Obwohl er inzwischen einige Zeit mit Saedelaere verbracht hatte, erschien er ihm nach wie vor wie ein Fremder.
Er bildete da keine Ausnahme. Zu Saedelaere fanden nur die wenigsten Zugang; selbst unter den Aktivatorträgern nahm er seit jeher eine Außenseiterrolle ein. Sein Schicksal bildete inzwischen den Stoff vieler historischer Lehrbücher - sein Wesen jedoch blieb auch für die Autoren wissenschaftlicher Standardwerke unergründlich.
Kantiran dachte an die zurückliegenden Ereignisse, die in der Entdeckung Oaghonyrs und damit von ARCHETIMS HORT und dem Clateaux der Zeiten ihren Höhepunkt erreicht hatten. Einen enttäuschenden Höhepunkt.
Er hörte seinen Namen, von einer altbekannten Stimme gerufen. Mondra Diamond näherte sich. Ein eigenartiger Gedanke durchzuckte ihn - Mein Vater hat sie einmal geliebt-, gefolgt von einer noch irrsinnigeren Überlegung: Sie hätte meine Mutter sein können.
Dieser Gedanke verwirrte ihn, umso mehr, weil Mondra trotz ihres Alters eine schöne, begehrenswerte Frau war. Sie ist weit in den Siebzigern, aber sie sieht aus wie höchstens Mitte dreißig ... Ob es wirklich damit zusammenhängt, dass sie Delorian Rhodan geboren hat, der eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Superintelligenz ES spielte? Altert sie deswegen nicht, obwohl sie keinen Zellaktivator trägt?
Er schob diese Grübeleien beiseite. „Mondra! Es ist schön, dich zu sehen."
Ehe sie antworten konnte, trat eine zweite Gestalt heran. Fawn Suzuke. die Sprecherin des Nukleus der Monochrom-Mutanten. Wie immer wirkte ihre beinahe ätherische Erscheinung zerbrechlich und so dünn, dass Kantiran sie in Gedanken unwillkürlich als dürr bezeichnete.
Fawn blickte Kantiran aus großen Augen direkt ins Gesicht. „Der Nukleus wird in etwa zwei Stunden für euren Bericht bereit sein."
Ebenso schnell, wie sie gekommen war, verschwand sie wieder, mit weit ausholenden Schritten, kraftvoller, als man es ihrer schmächtigen Gestalt zugetraut hätte.
Kantiran war von der Direktheit ihres Befehls, denn um nichts anderes hatte es sich gehandelt, wie vor den Kopf gestoßen.
Er hatte sich noch nicht an den weltfremden Umgangston Fawn Suzukes gewöhnt.
Nur dem äußeren Anschein nach entsprach sie einem Menschen - in Wirklichkeit stellte sie das Sprachrohr des Nukleus dar, eine Erscheinungsform dieses unbegreiflichen Komplexes aus den ehemaligen Monochrom-Mutanten. Sie war nichts anderes als der Mund, das Auge, das Ohr und die Hand des Nukleus in der Sphäre der Sterblichen, welcher der Funken sprühende, zwei Meter durchmessende Ball aus weißlich gelbem Licht bereits entrückt war.
Fawns Existenz war nur geborgt. Sie hatte nur unter größten Mühen auf der Erde Gestalt annehmen können und nur mit Hilfe des Psi-Korresponders Marc London.
Der junge Terraner, der Fawn stets so ansah, wie Kantiran selbst früher Thereme angeschaut hatte, hielt sich meist in ihrer unmittelbaren Nähe auf. Auch jetzt konnte der Sternenvagabund ihn erkennen, als einsame Silhouette, die zaghaft auf die energische junge Frau zu warten schien.
Mondra Diamond lächelte entschuldigend. „So ist Fawn nun einmal. Für den Austausch von Höflichkeiten hat sie keinen Sinn."
„Das habe ich mittlerweile begriffen. Ich übrigens auch nicht", stellte Kantiran klar, schroffer, als er es beabsichtigt hatte. „Jedenfalls bleiben euch zwei Stunden, um euch wieder einzuleben." Mondras Stimme wirkte nun ebenfalls kühler. „Entschuldige. Manchmal bin ich etwas ... gereizt."
Auf Mondras Gesicht erschien ein Ausdruck, den Kantiran nicht einordnen konnte. Amüsement? Oder doch Verärgerung? „Wenn du möchtest, trinken wir gemeinsam etwas am Strand, und du berichtest mir von euren Erlebnissen.
Alaska ..."
„... ist noch nicht ganz angekommen, wie du siehst", sagte Kantiran mit einem bedeutsamen Blick auf den noch immer wie erstarrt dastehenden Zellaktivatorträger. „Aber gib zu, dir liegt hauptsächlich an einigen Informationen.
Zumindest mehr als an einem Drink mit mir?"
Ein grünhaariger Schohaake hastete über den Strand, ohne aus den tiefliegenden Augen auch nur einen Blick auf die drei Humanoiden zu werfen. Die
Weitere Kostenlose Bücher