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2356 - Schmerzruf

Titel: 2356 - Schmerzruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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tägliche harte Arbeit setzte Naigon weniger zu als den anderen Sklaven, was seiner Vermutung nach an seiner körperlichen Konstitution lag - er war größer und muskulöser als alle anderen Sklaven, seien es Incassis, Peergateter oder Angehörige anderer Spezies. Zudem lernte er, sich aus dem Erz seine Nährstoffe zu saugen; das half ihm über alle Beschwerden hinweg.
    Da gab es etwa sechs Gryolen, Wesen, die nur die halbe Größe Naigons erreichten. Über dem breit gebauten Rücken spannte sich ein gewölbter Panzer, in den die Gryolen bei Bedarf Kopf und Gliedmaßen zurückziehen konnten. Auf diese Weise hatten zwei von ihnen am Vortag einen kleineren Einsturz überlebt, während ein Peergateter erschlagen worden war.
    Naigon selbst hatte Schutt und Geröll zur Seite geräumt, um die Gryolen zu befreien.
    Dem einer filigranen Pflanze ähnelnden Peergateter hingegen war nicht mehr zu helfen gewesen; diese Wesen waren für die Arbeit in den Minen ohnehin denkbar ungeeignet. Dennoch verzichteten die Incassis nicht auf sie, denn die wässrigen Augen dieser Spezies reagierten höchst sensibel auf steigende Staubmengen in der Luft und bildeten damit eine Art lebendes Warnsystem für bevorstehende Einstürze.
    Und Einstürze gab es im Höhlensystem wahrlich genug. Jeden zweiten, spätestens dritten Tag brach ein Teil der schlecht abgestützten Gänge in sich zusammen. Hin und wieder gab es Opfer unter den Sklaven.
    Die Incassis und konkret der Besitzer der Mine, ein gewisser Karaus Msirako, scherten sich nicht darum - es war in seinen Augen leichter, Sklavenmaterial zu ersetzen, als für Sicherheit zu sorgen. In finanzieller Hinsicht hatte er damit sicherlich Recht, doch das war für die Sklaven ein schwacher Trost. Die Angst vor plötzlichem Tod war allgegenwärtig - bei fast allen von ihnen.
    Nur zwei Sklaven bildeten eine Ausnahme.
    Der verrückte, apathisch an die Decke starrende alte Kartanin - und der Stolze Herr Naigon selbst.
    Naigon fürchtete den Tod nicht. Er ahnte, dass er immer einen Ausweg finden konnte. Denn er war nicht einfach irgendjemand. Er war nicht nur Naigon, ein lebendes Rätsel.
    Er war zu Großem berufen. Naigon spürte es. Ahnte es. Wusste es. Auch wenn er ein bedeutungsloses Leben als Sklave fristete, stand für ihn unerschütterlich fest, dass er eine wichtige Vergangenheit aufwies. Und dass seine Zukunft groß sein würde.
    Oft dachte er darüber nach, und als Ingittz Zaul sich wieder einmal neben ihn setzte und zu reden begann, fragte er sich nach wenigen Worten, ob er einen Zipfel dieser Vergangenheit erhaschen konnte. „Wir sind nun schon einige Tage beisammen, mein Freund." Ingittz betonte bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihren Status als Freunde, einen Status, den Naigon nicht richtig einordnen konnte. „Es wird Zeit, dass ich etwas tue, was ich nie zuvor getan habe."
    „Du machst es spannend, Freund", erwiderte Naigon. Das letzte Wort verwendete er nur, um Ingittz eine Freude zu bereiten. Dieses Verlangen verspürte er nur Ingittz gegenüber. Alle anderen Wesen waren ihm völlig gleichgültig. Auch die beiden Gryolen hatte er nur gerettet, weil Traris Kram es befohlen hatte. „Wenn ich in deiner Nähe bin, schwindet meine Angst vor dem Tod und vor der jämmerlichen Bedeutungslosigkeit meines Lebens."
    „Du zeigst schon, seit ich dich kenne, einen Hang zum Philosophieren."
    „Es ist keine Philosophie", widersprach der Incas. „Ich spüre, dass du eine wichtige Persönlichkeit bist, auch wenn es momentan nicht danach aussehen mag."
    Naigon wurde hellhörig. Du spürst es ebenfalls?, wollte er rufen, verkniff es sich aber im letzten Augenblick. Stattdessen wartete er schweigend ab. „Ich bin ein Einzelgänger, der sich seit vielen Jahren durchschlägt, mal recht und mal schlecht. Diese verdammte Mine ist nur das Ende eines langen Wegs. Ich habe mich seit einer halben Ewigkeit niemandem mehr offenbart. Seit meine Gefährtin aus Jugendtagen starb, sah ich keinen Sinn darin, jemand anderem etwas von mir mitzuteilen. Das hat sich nun geändert."
    „Warum?", fragte Naigon.
    Ingittz Zaul ging darauf nicht ein. „Lass mich dir berichten, wie es mich hierher verschlagen hat."
    In der nächsten Stunde lauschte Naigon einer Geschichte, die ihn eigentlich nicht interessierte, ihn aber mehr und mehr in ihren Bann zog.
    Für ihn, der keinerlei Erinnerung an seine frühere Existenz besaß, war es faszinierend, den Werdegang eines Wesens zu erfahren. Von einem reichen Elternhaus zu hören,

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