2359 - Das Stumme Gesicht
Weil du so ein überdiszipliniertes und besonders beherrscht handelndes Exemplar der Hauri bist?" Seltsam. Durch die bloße Betonung mancher Silben konnte man Stimmung erzeugen und damit das gesprochene Wort um ihm bislang unbekannte Facetten erweitern. In diesem besonderen Fall griff er auf so genannten Sarkasmus zurück. Er veränderte den Inhalt des Gesagten ins Gegenteil.
Taresk drehte sich ihm erneut zu. In seinen Augen brannte jenes Feuer, vor dem er sich irgendwann, in einem früheren Leben, einmal so sehr gefürchtet hatte. Nunmehr vermittelte es lediglich den Hauch eines Schreckens.
Der Wasserträger hielt einen zerbrochenen Flakon in seiner Rechten. Flüssigkeit tropfte von seinen Händen - und von seinem Kinn. Taresk hatte sich selbst unter Wasser gesetzt. „Habe ich denn behauptet, dass Naigon mich nicht erwischt hat?" Zähne, schrecklich gelb und schwarz, wurden überdeutlich sichtbar. „Ich bin dem Stolzen Herrn längst treu ergeben. Er gibt mir Kraft und Mut und lässt mich Dinge tun, nach denen ich mich insgeheim mein Leben lang gesehnt habe. Nicht nur ihm zuliebe werde ich machen, was ich tun wollte, seitdem ich dich widerwärtiges und schwaches Geschöpf kenne."
Mit einem Schrei, der nicht aus dem Mund eines Hauri zu stammen schien, stieß er sich ab und sprang auf Ushekka zu
16.
Friedensfahrer Kantiran war kaum zu bändigen. Noch schaffte er es nicht wie sein Vater, Verzweiflung und Schmerz in positive Energien umzuwandeln und gerade dann, wenn ihn alle bereits am Boden sahen, zurückzuschlagen. „Du bist jetzt gefälligst ruhig", kanzelte Alaska seinen ehemaligen Schüler ab. „Willst du denn die ganze Stadt in Aufruhr versetzen und wild um dich ballern? Wir haben nur dann eine Aussicht, Cosmuel zu finden, wenn wir einen kühlen Kopf behalten."
Kantiran ließ plötzlich die Schultern nach vorne fallen. Um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig; für einen Moment sah er wie ein zu groß geratener Halbwüchsiger mit aufgeklebtem Bart aus, der nur schwerlich seine Tränen zurückhalten konnte.
„Kirmizz ist und bleibt das vorrangige Ziel", sagte Alaska möglichst akzentuiert. „Verluste sind bei uns Friedensfahrern immer einkalkuliert. Hat dir denn Chyndor nicht eingetrichtert, deine Gefühle hintanzustellen? Reiß dich gefälligst zusammen!"
Er hasste sich dafür, dass er Kantiran derart unter Druck setzte. Schließlich war der hormonelle Haushalt der Menschen viel weniger regulierbar als der der meisten anderen Lebewesen, denen er auf seinen ausgedehnten Reisen durchs Universum begegnet war. „Deinem Gequatsche soll ich also vertrauen?", höhnte Kantiran. „Dem eines Unsterblichen, der bekanntermaßen zeit seines Lebens niemals mit den eigenen Emotionen zurechtkam? Der immer wieder flüchtete - wahrscheinlich vor sich selbst, der sein gesamtes Wesen hinter einer Maske verbirgt und niemanden an sich heranlässt?"
Der Sternenvagabund verstummte, erblasste und registrierte von einem Moment zum anderen, was er da eigentlich sagte. „Es ... es tut mir leid", stammelte er, „ich wollte das nicht ..."
„Ist schon gut", sagte Alaska, aber seine Stimme war kalt vor Wut. „Reiß dich jetzt endlich zusammen! Kirmizz hat Cosmuel in Gewahrsam genommen. In gewisser Weise sollte uns das Hoffnung geben. Das beweist erstens, dass er sich verwundbar fühlt und deswegen eine Geisel in der Hinterhand behalten will. Zweitens deutet es darauf hin, dass er Vibe-Lotoi nicht so rasch wird verlassen können. Drittens hat er keine Ahnung, gegen wen oder was er in Wirklichkeit antreten muss. Die Organisation der Friedensfahrer ist ihm höchstwahrscheinlich unbekannt." Alaska spannte die Wangenmuskeln an. Kantiran konnte es nicht sehen, niemand konnte es sehen. „Cosmuel ist nicht irgendein kleines Mädchen, das beim geringsten Anzeichen von Gefahr zu bibbern beginnt."
„Er wird sie beeinflussen und alles aus ihr rausquetschen", sagte Kantiran. „Ist dir jemals der Gedanke gekommen, dass sie freiwillig mitgegangen sein könnte?", fragte Alaska. Er musste Kantiran von den Schreckensbildern ablenken, die ihm seine Fantasie zweifellos vorgaukelte. Und er musste ihm Hoffnung geben. „Möglicherweise hat sie die Situation genutzt und stellt sich bloß so, als würde der Pilot sie beherrschen. Sie ist eine Halb-Cyno. Der Abkömmling von Lebewesen, über deren besondere Fähigkeiten wir nicht allzu viel wissen. Die Initiation als Friedensfahrer hat sie noch nicht erhalten, das stimmt, aber die
Weitere Kostenlose Bücher