2359 - Das Stumme Gesicht
nirgendwo genannt.
Wussten die Ärzte etwa nichts davon oder verschwiegen sie es bewusst?
Der Türmelder summte. Ushekka ignorierte das Geräusch. Wenn man ihn holen wollte, würde man nicht mehr läuten. „Ich bin es", klang Taresks Stimme dumpf durch das Tor. Wahrscheinlich stand er draußen und brüllte sich die Seele aus dem Leib - wenn er denn eine hatte. „Wir müssen reden."
Ushekka drehte sich beiseite. Der Ospeno-Topf war fast leer. Nur noch schrumpelige Reste lagen darin, in denen sich winzige Maden wanden. Wollte er eine einzige, letzte Dosis genießen, musste er sie mit Wasser verdünnen. Mit Gift ... „Ich lasse die Tür aufschießen!", brüllte Taresk. Wie wild hämmerte er gegen den Stahl.
Ushekka atmete tief durch, schlurfte zum Eingang und öffnete. „Du siehst schlecht aus", sagte er zum Wasserträger und bat ihn mit einer knappen Verbeugung in seine Räumlichkeiten.
Taresk erwiderte nichts auf die Beleidigung, was ein bezeichnendes Bild auf seine Verfassung warf. Er trat ein, ließ sich auf die harte Gästesitzbank fallen.
Seine Blicke streiften umher, ruhten kurz auf dem Ospeno-Topf, wanderten weiter. „Ich wusste es", murmelte er. Seine Hände zitterten. „Du hast mich also erwischt", sagte Ushekka leichthin. „Wenn du mich melden willst - nur zu!"
„Schließ sofort die Tür!", forderte der Wasserträger mit zittriger Stimme, ohne auf die Provokation einzugehen. Scheinbar hatte er Angst. „Was gibt es?" Ushekka verriegelte das Tor, warf sich auf sein Bett, schob Essensreste und schmutziges Leibgewand achtlos beiseite. „Ich bin etwas verwundert, dass man mich noch nicht geholt und hingerichtet hat. Der Oberste wird nicht gerade erfreut über unser beider Versagen gewesen sein. Ein einzelnes Wesen ist über die gesamte Organisation der Ay'Va erhaben - man stelle sich das einmal vor ..."
„Ich habe es ihm niemals gesagt." Taresk erhob sich, streifte seine Kleidung zurecht, setzte sich wieder, wischte einen imaginären Krümel von der Schulter. „Mehrere Tage lang lieferte ich gefälschte Berichte, die von Fortschritten bei unserer Suche berichteten. Stunde für Stunde konnte ich gewinnen, während ich nach einem Ausweg suchte."
Im Hoch seiner Gefühle sah Ushekka auf den Wasserträger. Verzweiflung beherrschte seinen Partner. Eine Gefühlsregung, die unter den elf Todsünden der Hauri an sehr prominenter Stelle rangierte. „Als der ... Schwindel aufzufliegen drohte", fuhr Taresk schließlich stockend fort, „wurde die Aufmerksamkeit des Obersten bereits von anderen Dingen beansprucht." Er blickte hoch, als nähme er Ushekka erst jetzt bewusst wahr. „Hast du denn nichts davon bemerkt?"
„Was hätte mir denn auffallen sollen?"
Verwundert ließ Ushekka den Kopf kreisen.
Der sanfte Geruch des Ospeno-Breis lockte. Sollte er sich den Rest aufkochen?
Unter den Augen des Wasserträgers? Wie würde er die Provokation aufnehmen?
Ein Gefühl der endgültigen Befreiung seines ... seines ... Gemüts kam in ihm auf, begleitet vom grässlichen Rumoren seines Magens. „Naigon hat endlich gelernt, uns Hauri zu beherrschen", presste Taresk zwischen den Zähnen hervor. „So, wie es die Simulation voraussah. Die Computer hatten recht.
Längst schon hat der Stolze Herr nach der Festung gegriffen, hat die Männer der Ay'va reihenweise in seine Macht gezwungen. Es gibt nur noch einige Widerstandsnester in den Kernbereichen der Kellergewölbe, die er nach und nach knackt." Der Wasserträger stand auf, schüttelte seinen hageren Körper aus, drehte Ushekka den Rücken zu. „Der Geist Naigons ist durch Energieabschirmungen nicht aufzuhalten. Auch wissen wir nicht, ob er bereits persönlich in die Festung vorgedrungen ist oder lediglich treu ergebene ... Sklaven vorgeschickt hat.
Niemand bekommt ihn zu Gesicht, und doch spüren wir alle, dass er hier ist.
Mindestens dreihundert Ay'Va-Gefolgsleute brachte er bislang in seine Gewalt ..." Taresk zitterte, als übermannten ihn endgültig sündige Gefühle. „Jetzt verstehe ich, warum sich niemand um mich kümmerte", sagte Ushekka. Er griff nach einer kleinen Tasse auf seinem Nachtschrank, schüttelte ein wenig des verderblichen Inhalts in den Ospeno-Brei, rührte die Masse mit einem Stäbchen um.
Der lockende Duft verstärkte sich, die in der Masse feststeckenden Würmchen wanden sich nunmehr energisch hin und her. „Wie kommt es, dass du noch frei herumläufst? Schafft es Naigon nicht, auf dich zuzugreifen, weil du ein Wasserträger bist?
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