2369 - Quartier Lemurica
gehörte Sabyl Eft, einem jungen Mädchen, das seit jeher an Calazis Rocksaum hing und alle Adepten rings um sie ihre Eifersucht spüren ließ. „Das mag stimmen",-keuchte Aheun. Der Marsch in die Tiefen strengte ihn an. „Überlegt doch mal, wie wenig wir eigentlich über unsere Wohn- und Arbeitsbereiche wissen. Wir wohnen und leben in Teilen der Nordpyramide. In jenen nachträglich angebauten Terrassenstufen, die das Hauptgebäude umgeben. Der Bereich ist groß genug, um allen zehntausend Priestern und Adepten Platz zu bieten. Was sich im inneren Bereich des Nordgebäudes befindet, wissen bloß die Ordin-Priester. Die beiden anderen Pyramiden hat wahrscheinlich seit Jahrtausenden niemand mehr betreten. Da kann's durchaus sein, dass sich unterhalb der drei Gebäude weitere Komplexe befinden, die miteinander verbunden sind."
Schweigend marschierten sie weiter. Die Gänge, auch wenn sie mehrere Meter hoch und breit waren, wirkten plötzlich erdrückend. „Weitere Abzweigungen", sagte Calazi.
Sie blieb stehen. Aheun bemerkte erstmals Unsicherheiten an ihr. „Bis hierher bin ich während der letzten Jahre vorgedrungen.
Drei der fünf Gänge habe ich erforscht. Sie führen an endlosen Reihen leerer Zimmer vorbei und münden in riesigen Hallen, ebenso leer. Jene beiden Wege zu meiner Linken kenne ich noch nicht."
„Wir sollten uns in zwei gleich große Trupps aufteilen", meldete sich Cypher Tempf zu Wort. Er unternahm so wie immer alles, um Calazi zu beeindrucken. „In einer Stunde treffen wir uns wieder hier. Einverstanden?"
„Ja." Calazi schenkte ihm ein kurzes Lächeln. „So machen wir's."
Zu Aheuns Bedauern teilte sie ihn Cyphers Gruppe zu. Viel sicherer hätte er sich im Beisein seiner Freundin gefühlt. Aber er kannte Calazi. Sie duldete keinen Widerspruch. „Wir gehen kein Risiko ein", sagte das Mädchen mit fester Stimme. „Wir sind Forscher, keine Eroberer. Kapiert?"
„Kapiert", wiederholten sie alle, bevor sie sich auf den Weg machten.
Aheun spürte ein unangenehmes Prickeln in seiner Magengegend. Ihm war, als meldeten sich Reste des Arkansua-Virus zu Wort.
*
„Dieser Teil der Katakomben scheint weitaus älter zu sein als jene Bereiche, durch die wir bislang gekommen sind", flüsterte Aheun. „Mag sein", gab Cypher ebenso leise zur Antwort. „Die Lichtstreifen sind schmaler und kürzer als jene, die wir bisher gesehen haben. Viele, die wir passierten, blinkten überdies auf, als wären sie defekt."
„Es ist nicht nur das. Es riecht ganz seltsam hier unten. Abgestanden und schal."
„Du musst eine feine Nase haben. Ich kann gar nichts riechen." Ja. Seine Geruchs- und Geschmacksnerven waren weitaus besser ausgebildet als jene seiner Studienkollegen. Aheun vermied es normalerweise, andere darauf aufmerksam zu machen. Besondere Fähigkeiten erzeugten Missgunst - und gefährdeten damit sein Leben.
Sie erreichten ein Tor. Es war energetisch abgesichert. Eine blaue Schlierenschicht leuchtete bedrohlich. „Das ist alles wie bei uns in den Wohnbereichen", sagte Cypher selbstbewusst und presste seine Hand gegen die Serviceleiste. Das Leuchten erlosch abrupt. „Gehen wir weiter."
„Ich weiß nicht ..." Aheun zögerte.
Irgendetwas irritierte ihn.
„Komm schon!" Cypher und seine anderen Begleiter schubsten ihn vorwärts. „Ist ja bloß ein weiterer leerer Raum." Nein. Hier standen seltsame Gerätschaften.
Manche von ihnen waren in blauen Kisten verpackt, andere wirkten so, als könnten sie jederzeit zum Leben erwachen. „Die Dinger da sehen wie Antennenkomponenten aus", murmelte Cypher. „Und das hier könnten Blockelemente zur Nahrungsmittelerzeugung sein."
„Vielleicht sind das Ersatzteile für die Nahrungsmittelfabriken, die Adur Bravuna und die anderen großen Städte beliefern", mutmaßte ein groß gewachsenes, dürres Mädchen, dessen Namen sich Aheun nicht gemerkt hatte. „Wir wissen aus den Trivids, dass die Bravunis hauptsächlich von der großen Maschinenstadt im Süden beliefert werden."
„Mag sein", sagte Cypher. „Vielleicht sind wir auf ein Reserve-Teilelager gestoßen, das die Robtrix angelegt haben."
„Dann könnten wir jederzeit auf einen Blechtrottel stoßen", murmelte Aheun. „Auf einen bewaffneten Wächter. Ich glaube nicht, dass der erfreut wäre, uns hier unten anzutreffen. Denkt doch daran, wie scharf die Maschinenstädte bewacht werden."
Sie blickten einander ängstlich an und rückten unwillkürlich zusammen.
Mehr als 32 Milliarden Menschen
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