2377 - Escher
die Lage einschätzen.
Vielleicht war Rodin Kowa inzwischen zu denselben Erkenntnissen gelangt. Wenn er seinen Vorgesetzten aufsuchte, fand er mit ihm womöglich eine Basis, auf der sie sich indirekt austauschen konnten.
Er ging zu Kowas Büro, doch es war unbesetzt. Er rief ihn per Armbandkommunikator, doch Kowa antwortete nicht. Also suchte Savoire das zentrale Büro des internen Sicherheitsdienstes auf.
Zu seiner Erleichterung waren weder Pal Astuin noch Merlin Myhr anwesend, sondern nur ein schmaler, muskulöser Jüngling, der schon länger als Savoire bei ESCHER beschäftigt war. Ein Namensschild wies ihn als Fral Kline aus. „Ich muss dringend mit Rodin Kowa sprechen, doch ich kann ihn nicht ausfindig machen."
Der Sicherheitsmann legte gelangweilt den Holokubus beiseite, in den er soeben noch geblickt hatte. Seine Stimme drückte jedoch so viel Desinteresse aus, dass er es auch in der Hand hätte halten können. „Ich nehme an, du hast alle üblichen Mittel der Suche angewendet?"
„Wäre ich sonst zu dir gekommen?"
Mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich machte, dass, er Savoire mindestens auf den Mond, wenn nicht gar in eine andere Galaxis wünschte, startete Fral Kline eine Suchanfrage. Die Positronik konnte dank eines Erkennungschips in Sekunden den Aufenthaltsort jedes einzelnen registrierten Mitglieds oder Besuchers von ESCHER ausfindig machen. Zumindest solange er sich im Gebäude befand, und das war in Kowas Fall nicht so. „Wann hat er den Turm verlassen?"
Klines Haltung straffte sich. „Das ist allerdings ungewöhnlich. Die Einlasskontrolle bestätigt, dass Kowa den Turm nie verlassen hat. Er hat definitiv keinen Transmitter benutzt, und anders ..."
„... ist es nun mal nicht möglich."
„Rodin Kowa kann nicht fort sein."
„Aber er ist auch nicht anwesend."
„Es muss ein Fehler der Positronik sein", gab sich Kline überzeugt. „Ich veranlasse eine persönliche Durchsuchung des Gebäudes. Astuin und Myhr sind in ihren Privaträumen, sie werden die Suchaktion leiten."
„Ich bin in der Gedankenkammer und erwarte, sofort über ein Ergebnis informiert zu werden!"
Die nächsten Stunden vergingen quälend langsam. Immer wieder fühlte sich Savoire aus nicht nachvollziehbaren Gründen veranlasst, die Suche abbrechen zu lassen, doch er kämpfte gegen diesen Impuls an.
Unruhig wanderte er durch die Gedankenkammer und betrachtete die Gesichter der ruhenden Prozessoren. Er kannte nur die wenigsten. In der Tat kamen ihm nur sechs der vierundsechzig Terraner vage bekannt vor, und nur einen einzigen älteren Mann kannte er mit Namen.
Es war ihm klar gewesen, dass es viele neue Prozessoren gab, aber so viele? Und gebot nicht schon die Wahrscheinlichkeit, dass unter den 64 mehr von denen sein mussten, die Savoire von früher her kannte? Immerhin hatten Astuin und Myhr auch viele der Prozessoren der ersten Stunde wieder zum Dienst motiviert.
Sein Armbandkommunikator schlug an.
Eine Textnachricht bat ihn, zum Eingang in den Antigravschacht zu kommen.
Dort erwarteten ihn Astuin und Myhr, die wie immer gemeinsam auftraten: „Kowa ist und bleibt verschwunden", setzte ihn Astuin lapidar in Kenntnis. „Er hält sich definitiv nicht in ESCHER auf, aber er hat ebenso definitiv keinen Transmitter benutzt, um das Gebäude zu verlassen."
„Ein Sabotageakt", murmelte Savoire.
Er wollte seine Überlegungen nicht mit ihnen teilen, doch ihm ging ein Gespräch nicht aus dem Kopf, in dem ihm Kowa vor langer Zeit mitgeteilt hatte, dass er von der Regierung vor einer Gefahr namens Koda Ariel gewarnt worden war. Savoire hatte nie erfahren, was es damit auf sich hatte, doch er fragte sich unwillkürlich, ob genau diese Gefahr soeben zuschlug.
Je länger er allerdings darüber nachdachte, desto sicherer wurde er, dass die Terminale Kolonne nicht damit in Verbindung stand.
Das Verschwinden des Direktors hing mit dem Nukleus zusammen, mit den Funkenbällchen und der mentalen Präsenz in der Gedankenkammer.
Savoire blickte Astuin und Myhr kalt an. „Aufgrund der besonderen Umstände fordere ich vom Sicherheitsdienst die Erlaubnis, Kowas Privaträume zu durchsuchen."
„Wir haben sie bereits betreten. Er hält sich nicht darin auf."
„Ich spreche von einer Durchsuchung, nicht davon, sie zu betreten. Es muss irgendwelche Hinweise auf Kowas Verbleib geben." Und noch während sich die beiden Schwarzgekleideten eine passende Antwort überlegten, trat Savoire in den Antigravschacht und schwebte nach
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