2394 - Hyperraum-Nomaden
Kinnaird verrenkte sich beinahe den Hals. Er starrte auf das dichte Grün des Hochlands, entdeckte schließlich die Silhouette eines Bauwerks in einem kleinen Tal zwischen den Wäldern aus Hydrogiganten.
Das Anwesen lag mitten in freier Natur, ein Bauwerk mit mehreren Flügeln und Seitentrakten, dahinter ein Park und eine Gebäudeflucht, die ihn an eine Forschungsstation denken ließ.
Eine Weile ließ Morian Kinnaird den Gleiter über dem Tal kreisen, ehe er das Kommando zur Landung auf dem Vorplatz gab.
Heimkehr in die Fremde! Der Gedanke drängte sich ihm unwillkürlich auf. Oder war es eher ein Auswandern in die Heimat?
Mauern und Tore waren von Pflanzen überwuchert. In den Grünanlagen hatten sich Inseln aus Dickicht gebildet, in denen zahlreiche Tiere und Vögel lebten. Das leise Singen des Fahrzeugs scheuchte sie auf.
Morian setzte den Gleiter ab und stieg ein wenig Unbeholfen aus. „Noch immer kein Kontakt", sagte der Inkub. „Du solltest eine Waffe mitnehmen."
„Eine Waffe?" Morian schauderte bei dem Gedanken, an diesem Ort der Ruhe und Beschaulichkeit tödliche Energien zu entfalten. „Es existiert kein Schutzschirm mehr. Im Garten könnten sich wilde Tiere ..."
„Du wirst das rechtzeitig erkennen und mich schützen."
„Natürlich, junger Herr Kinnaird!"
Junger Herr Kinnaird! Wie das klang!
Morian brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass es die übliche Anrede für ihn in diesem Tal war.
Zögernd setzte er sich in Bewegung, blieb vor dem Rankenbogen stehen, der längst verholzt und abgestorben war. Dahinter entdeckte er die korrodierten Überreste von Volieren.
Morian gab sich einen Ruck. Er durchschritt den Bogen und ging über weiche Fliesen bis hinein in die Säulenhalle, die zwischen den vorderen Gebäudeflügeln aufragte. Seine Stiefel hinterließen Spuren im Staub. In den Ritzen der Kapitelle hatten längst Algen eine neue Heimat gefunden und verzierten sie mit üppigem Violett und Grau.
Morian spähte zwischen den Säulen hindurch. An der Tür zum Haupthaus entdeckte er schließlich eine groteske, vielfach verbeulte und eingedellte Gestalt.
„Besuch nach so langer Zeit!", schnallte es ihm entgegen. „Ein unbekannter Gast!"
Die Worte klangen nicht gerade vertrauenerweckend. Dennoch verspürte Morian Kinnaird übergangslos so etwas wie Wärme und Heimeligkeit. Der Roboter, ein Modell auf zwei Beinen und mit zwei Armen, einem großen Sphero-Kopf und dem etwas schmächtigen Körper, war ebenso verrostet und alt wie das Haus.
Als Morian sich näherte, drang aus dem Innern der Maschine ein Scheppern und Rasseln. „Keine Sorge, mein Programm ist in Ordnung", sagte der Roboter hastig. „Nur die mechanischen Teile sind ein wenig - bedürftig. Kommt noch näher. Ich sehe Euch kaum. Ja, so ist es besser."
„Es ist bestimmt ungewöhnlich, dass jemand hierherkommt", begann Kinnaird. „Es ist die Neugier, die ..."
Aus dem Sprechgitter der Maschine drang ein schriller Laut. „Ich erkenne Euch. Alle Merkmale stimmen. Mein Programm schließt einen Irrtum aus. Ihr seid Morian Kinnaird. Willkommen daheim. Ich bin Immentrus-78."
Immentrus-78? „Ich bin seit siebentausend Jahren im Besitz deiner Familie, junger Herr. Tretet näher, der Staub auf meinen Augenlinsen lässt mich Euch nur vage normal optisch erkennen."
Morian zog ein Tuch aus der Jacke. „Es ist nicht nur der Staub auf den Linsen. Ich werde dich einer durchgreifenden Restaurierung unterziehen."
*
Kometengleich durchzog der Spektrale Amaranth die Inselstaaten, vorbei an den Sonnensystemen des „Inneren Kreises" und der assoziierten Welten. Er flog weit ins All hinaus, wo ein Stück hinter den äußersten Sternsystemen die unsichtbare Grenze lag. Optisch ließ sich nichts erkennen, der Schmiegeschirm schluckte alles Licht. Auf den Dynamiksensoren des Schiffes jedoch zeichnete sich das violette Wabern eines gewaltigen Ungeheuers ab.
Es umhüllte die Spektralen Inselstaaten von allen Seiten - ein Moloch, aber gleichzeitig auch der beste Schutz vor den Gefahren des Universums. „Ich entnehme Euren Daten, dass Ihr noch nie herumgereist seid", sagte Immentrus-78. Der Roboter glänzte wie in seinen besten Tagen. Morian hatte ihn außen und innen komplett erneuert. Sein Alter sah ihm niemand mehr an. „Es bestand nie eine Notwendigkeit", gab Morian zu. „Auf Namech'Corien konnte ich das Gebilde maßstabsgetreu mitten in den Garten meines Pflegevaters projizieren und darin spazieren gehen."
Zwischen den Sonnen und
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