2394 - Hyperraum-Nomaden
fröhlich.
Untersuchungen an der Genstruktur von tausend Sphero aller elf Sonnensysteme erbrachten einen fortschreitenden Verlust an Zellvitalität, ohne dass die Mediker und Biologen hätten sagen können, welche Ursache dahintersteckte. Abweichungen von der genetischen Norm ließen sich nicht feststellen.
Erilyn Shirde, so hieß die Forscherin, hatte eine Antwort auf diesen scheinbaren Widerspruch: Sie ging von einem Standardtypus der spheronischen Genstruktur aus, der irgendwann mutiert war und nun als neuer Normtypus galt.
Wenn der alte Normtyp verschwunden war ... dann waren die Sphero tatsächlich verloren - ein Gedanke, der Morian nächtelang den Schlaf raubte. Albträume quälten ihn, er wachte jedes Mal völlig verstört auf.
Dass die Sphero sich seit Tausenden von Jahren in einem Stadium des Übergangs befanden, wussten sie längst. Ihre Körper bildeten sich von Generation zu Generation zurück. Die Gliedmaßen und der Leib schrumpften, der Kopf wuchs um eine Winzigkeit.
Wir nähern uns mit langen Schritten der Grenze, erkannte Morian. Überschreiten wir sie, werden wir sterben oder in das Stadium einer körperlosen Kollektivintelligenz eintreten.
Im Spektralen Turm sprachen sie seit jener Zeit darüber, als sich die Anzeichen gemehrt hatten. Kein Sphero begeisterte sich für diese scheinbar natürliche Entwicklung. Sphero waren Individualisten. Die Vorstellung, sich in einem Bewusstseinskollektiv zusammenzufinden, bereitete ihnen fast körperlichen Schmerz.
Auch als Körperwesen neigten sie nicht gerade zur Geselligkeit. Sie waren zwar keinesfalls Einsiedler, doch sie blühten erst richtig auf, wenn man ihnen die innere und äußere Freiheit im Überfluss gewährte.
Vielleicht hing es damit zusammen, dass die Sphero einst einen Schmiegeschirm um ihre bewohnten Sonnensysteme geschaffen hatten und aus dem damaligen Lebensraum fortgezogen waren.
Vielleicht waren sie auch vor einer übermächtigen Gefahr geflohen. Seither zog der Schwarm aus Sternen unentwegt durchs Universum, legte weite Strecken im Hyperraum zurück, flog mal hierhin, mal dorthin. Hyperraum-Nomaden eben, ohne konkretes Ziel, ein eigener Wirtschaftsund Lebensraum für viele Völker.
Ab und zu hatten die Sphero gewissermaßen am Wegesrand Hilfe geleistet, aus dem Verborgenen heraus, um nicht zwischen die Fronten kämpfender Parteien oder kosmischer Mächte zu geraten. Sie hatten Völker vor dem Untergang gerettet und ihnen in ihrer Insel des Friedens eine sinnvolle Existenz ermöglicht.
Seit etlichen zehntausend Jahren waren die Sphero und ihre assoziierten Völker in keinen Krieg mehr verwickelt worden.
Längst verstanden sie sich als ein eigenständiges Universum und einen Machtfaktor, dessen Stärke darin bestand, dass fast keiner von seiner Existenz wusste.
Erst in den letzten Jahrtausenden fingen die Sphero langsam an, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit und Herkunft zu beschäftigen. „Es ist nicht nur ein Problem der Genetik", sagte Morian, als Immentrus-78 ihm eine Erfrischung in den Labortrakt brachte. „Um unsere Zukunft besser verstehen zu lernen, müssen wir mehr über unsere Vergangenheit wissen. Wenn es dazu nicht schon zu spät ist. In dieser Richtung unternimmt unser Volk gar nichts."
„Entschuldigt, junger Herr Kinnaird, aber Ihr verrennt Euch da in etwas."
Morian fuhr hoch. „Keineswegs. Schau dir die Daten an, Immentrus. Noch vor hundert Jahren bestand Shirdes Mitarbeiterstab aus zweitausend Sphero.
Inzwischen sind es zwölfhundert, die Übrigen mussten durch Androiden und Roboter ersetzt werden. So sieht es aus.
Es blieb nicht bei der körperlichen Rückbildung. Geistige und emotionale Trägheit breiteten sich immer stärker aus.
Die Sphero standen dem Abgrund näher, als die meisten von ihnen ahnten. „Draußen wartet ein Bote auf Euch", eröffnete ihm der Roboter. „Wollt Ihr ihn empfangen, oder soll ich ihn fortschicken?"
„Was für eine Frage! Führ ihn herein!"
Es handelte sich um einen Pförtner. Er überbrachte eine versiegelte Depesche vom Planeten Vitogh'Farien.
Morian musterte das Siegel. Der Spektrale Turm!
„Ich soll auf die Antwort warten", sagte der Pförtner und lächelte sein Kunstlächeln.
Kinnaird erbrach das Siegel und faltete den Umschlag auseinander. Hastig überflog er den Text. „Nein", sagte er dann. „Damit kann ich nichts anfangen. Sag den Hohen Lenkern, ich bin Forscher, kein Beamter."
Der Pförtner bestätigte es und ging davon. „Die wollten mich allen
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