2394 - Hyperraum-Nomaden
Kraft kosten - einen Teil seiner Lebensspanne vielleicht.
Das Auge arbeitete bereits im Sendemodus, es war bereit, ihn fortzublinzeln. Morian Kinnaird warf der regenbogenschillernden Steuerkonsole einen prüfenden Blick zu, dann trat er in den Abstrahlkäfig und vertraute sich der Sanften Entmaterialisation an. Sie dauerte länger als eine gewöhnliche Entstofflichung, ging bei der Zerlegung des Körpers in seine atomare Struktur schonender zu Werke. Man hatte die Methode entwickelt, damit der Vorgang weniger stark als das übliche Blinzeln an der Substanz der spheronischen Benutzer zehrte.
Augenblicke später trat Morian aus dem Käfiggespinst mitten zwischen die Fontänen des Innenhofs. Wie erwartet war es still im Anwesen. Außer seinem Vater hielt sich dort kein Lebewesen auf. Die beiden Medoroboter waren da, und er hörte das vertraute Pumpen der Beatmungsmaschine, als er den Wohntrakt betrat. „Vater, ich bin zurück!", rief er laut wie immer. Hörte der greise Sphero ihn noch?
Leichtfüßig eilte Morian die flache Treppe empor bis in die Schlafgemächer Bogus lag wie am Morgen, den Kopf tief in die Kissen gedrückt. Als er seine Schritte hörte und den entstehenden Luftzug spürte, öffnete er die Augen. „Kinnaird ..."
Morian zog einen Schemel an das Bett. Er setzte sich und ergriff die Hand des alten Mannes. Fast sechzehnhundert Jahre lebte Bogus Hallond inzwischen. Mehr schaffte sein ausgemergelter Körper nicht, und Morian fragte sich, womit er sich früher derart verausgabt hatte, er, ein Gleitmeister ohne Mnexion-Stirnkreis und damit ohne höhere Gaben. „Hör mir zu, Kinnaird", hauchte der Alte.
Die Finger in Morians Handmulde zitterten, die Haut fühlte sich spröde und welk an. „Ich höre, Vater!"
„Dein Reif, Morian - ein Geschenk deines Vaters und deiner Mutter ..."
„Aber ..." Morian begriff überhaupt nichts mehr. Nur Reifträger konnten ein solches Gebilde erschaffen. Bogus jedoch war keiner. „Eltaachtneusepischzwölf, der Kode - Datenspeicher - Tisch!"
Die Hand des Vaters lag plötzlich schlaff und kalt in der seinen. Morian sah hilflos zu, wie Bogus' Augen unnatürlich weit aus ihren Höhlen traten. „Vermächtnis !"
Morian Kinnaird fasste den Alten unter den Schultern und richtete ihn auf. Er lauschte auf das Keuchen, es blieb aus. Als er nach dem Puls suchte, fand er ihn nicht mehr.
Die Beatmungsmaschine stellte ihre Arbeit automatisch ein, die unterstützenden Energiefelder erloschen. „Es tut mir leid", tönte es aus dem Medoroboter. „Bogus Hallond hatte keine Kraft und keinen Lebenswillen mehr."
„Schon gut."
Morian saß die ganze Nacht über neben dem toten Vater. Sie hatten zuletzt wenig Zeit füreinander gehabt, und dabei brannten Morian so viele Fragen auf der Seele, die sich im Lauf von Dutzenden von Jahren angesammelt hatten. Auch der Alte hatte ihm immer wieder etwas sagen wollen, ohne dass ihm ein Wort über die Lippen gekommen wäre.
Irgendwann, als es draußen schon hell geworden war, störte der Roboter ihn in seinem Nachsinnen. „Bitte, verlass diesen Raum, damit wir deinen Vater angemessen herrichten können."
„Ja, bitte kümmere dich darum.
Sorgfältig!"
„Selbstverständlich."
Morian war müde. Auf dem Weg zur Tür kam er an dem Tisch vorbei, und da fielen ihm die letzten Worte des Sterbenden wieder ein. Er setzte sich auf den Stuhl, legte seine Handflächen auf die steinern wirkende Platte. „Eltaachtneusepischzwölf", sagte er.
Dicht vor ihm wuchs Bogus Hallond aus einem dünnen Energiestrahl in die Breite, wurde zu einem Hologramm aus weiter Vergangenheit. Der Gleitmeister sah noch gesund und rüstig aus. „Mein Sohn, wenn du diese Aufzeichnung siehst, werde ich nicht mehr am Leben sein. Spätestens dann sollst du die Wahrheit erfahren. Ich bin nicht dein leiblicher Vater. Ich hatte keine Lebenspartnerin namens Kinnaird, wie ich dich immer glauben machte, und das Schicksal hat mir auch keine Kinder geschenkt. Deine Eltern waren Colmac Kinnaird und Ferenza Raqisse, zwei Hohe Lenker unseres Schwarms. Als sie starben, bat dein Vater mich, dich zu mir zu nehmen und dich großzuziehen. Damals warst du noch ein Säugling, kaum dreihundert Tage alt.
Sobald dieses Hologramm erlischt, öffnet sich die Schublade des Tisches. Du findest einen Datenkristall mit den Details.
Erfahre, wie es damals war."
Morian zitterte am ganzen Körper Die Schublade öffnete sich. Er nahm den Kristall zwischen zwei Fingerspitzen, als könne er sich daran
Weitere Kostenlose Bücher