2394 - Hyperraum-Nomaden
Welten herumgehen, bestimmte Gebiete einzelner Planetenoberflächen zoomen und plötzlich mitten in einer fremden Stadt stehen, in Echtzeit den Bewohnern bei ihrem Tun zusehen und trotzdem unentdeckt bleiben, das hatte ihm immer gefallen. Auf diese Weise hatte Morian die Lanfhaber, Kemmogh, Vitaubur und ein paar andere assoziierte Völker kennengelernt. Er hatte ihre Lebensgewohnheiten studiert, ihre Schulen besucht und in die Kavernen geblickt, in denen ihre Roboter nach hochwertigen Erzen schürften. Er hatte den Politikern zugehört, den Lenkern und Regierenden. Und er war schnell auf das gestoßen, was diese Wesen gemeinsam hatten.
Sie arbeiteten für den Frieden. Nirgends gab es Intrigen, Machtkämpfe, unterdrückte Minderheiten. Die Völker lebten auf ihren Welten in Harmonie, und sie wussten gute Freunde an ihrer Seite. „Die Ausnahmegenehmigung für solche Projektionen, ich verstehe", sagte Immentrus-78 mit heller, klarer Stimme. „Nur Mnexion-Träger erhalten sie."
„Leider." Es hätte seiner Ansicht nach keinen Unterschied gemacht, wenn die Hohen Lenker im Spektralen Turm es auch anderen Sphero erlaubt hätten. Jeder aus seinem Volk wäre genauso verantwortungsbewusst damit umgegangen wie er.
Aber es gehörte zu den Gesetzen seit jener fernen Zeit, als die Spektralen Inselstaaten die ersten Fremdvölker bei sich aufgenommen hatten, Flüchtlinge, Verfemte, Populationen vor der Ausrottung, Gestrandete in den Weiten des Alls. Die Sphero hatten dafür gesorgt, dass keines von ihnen seine eigene Vergangenheit vergaß, und so waren bis zum heutiger Tag Erleichterung und Dankbarkeit lebendig. „Junger Herr Kinnaird, habt Ihr einen besonderen Grund, diesen Flug zu unternehmen?", fragte der Roboter. „Ich möchte die Unendlichkeit aus der Nähe spüren. Und ich möchte ein Bild über die tatsächlichen Größenverhältnisse gewinnen. Vor allem aber will ich die Welten meines Volkes besuchen, Sitagh'Lorien, Banach'Turien und all die anderen."
Er wollte es nicht immer nur hören oder lesen, dass die Schwermut zu-, der Lebenswille abnahm. Er wollte die Lethargie der Sphero mit eigenen Augen sehen und die immer zahlreicher werdenden Androiden und Roboter befragen, die den Angehörigen seines Volkes das Leben erleichterten. „Die Größenverhältnisse sind schnell erläutert, junger Herr Kinnaird. Die Blase innerhalb des Schmiegeschirms misst 7,5 Lichtjahre in der Länge, 4,8 in der Breite und 3,1 in der Höhe. 67 Sonnensysteme befinden sich in seinem Innern, fast ein Idealwert. Natürlich hätten noch viel mehr Platz, aber irgendwann würde das Gleichgewicht der Völker gestört."
Solange die elf Systeme im „Inneren Kreis" den. Sphero vorbehalten blieben und die neun assoziierten Völker sich über die verbleibenden 56 Sonnensysteme verteilten, blieb das Verhältnis ausgewogen. Die Populationen gediehen unter der Gastfreundschaft der Sphero.
Nur wir selbst gedeihen nicht!, dachte Morian voller Bitterkeit. Der Gedanke erinnerte ihn an den eigentlichen Auslöser, warum er diesen Flug ausgerechnet jetzt unternommen hatte. „Das Vermächtnis meiner Eltern bestimmt von nun an meinen Lebensweg", sagte er leise. „Unsere eigenen Welten leeren sich.
Das darf nicht so bleiben."
Nach Abschluss seiner Ausbildung würde Morian Kinnaird die Hohen Lenker um Erlaubnis bitten, sich einzig und allein mit der Thematik des Aussterbens seines Volkes befassen zu dürfen. Tausende oder Zehntausende Sphero forschten schon daran, aber es waren seiner Meinung nach nicht genug. „Wann genau wurde das letzte Sphero-Kind geboren?", erkundigte er sich bei dem Roboter. „Vor zweihundert Jahren. Ihr wart das, junger Herr!"
Sphero besaßen kompliziert gestaltete Tränendrüsen zum Befeuchten der Augen.
Bei zu starkem Flüssigkeitsdrang schlossen sich winzige, organische Überlaufklappen.
Morian Kinnaird schoss das salzige Sekret deshalb nicht aus den Augenwinkeln, sondern in Bächen aus der Nase.
Der Schock saß tief.
*
In der Folgezeit stürzte sich der junge Sphero in die Arbeit. Verbissen durchmusterte er die schier endlosen Datenströme, wie sie die elf Planetensysteme der Sphero für Reifträger bereithielten. Lediglich die Hohen Lenker und Kaith Odonnue besaßen eine höhere Zugangsberechtigung zum Wissen ihres Volkes.
Daneben verfolgte er aufmerksam die Untersuchungen einer Wissenschaftlerin, die in den genetischen Labors von Waldogh'Hurrien arbeitete. Die Ergebnisse stimmten ihn nicht gerade
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