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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nachzulaufen hat? Ich dir oder du mir?“
    „Nicht du, sondern ich!“ gestand er ehrlich ein.
    „Und doch bist du nicht zu mir gekommen, sondern ich habe zu dir gemußt! Halef, Halef, das war früher nicht! Da warst du pflichtgetreu. Da wärst du mir rund um die Erde nachgelaufen, um mir mitzuteilen, daß etwas Wichtiges geschehen sei. Heute aber setzt du dich faul in das Gras und wartest, bis ich komme!“
    Da trat er noch um einen Schritt weiter zurück, schlug die Hände erschrocken zusammen und stöhnte:
    „Faul in das Gras! Faul, faul! Ist so etwas möglich! Das geht mir über alle meine Begriffe. Ich und faul! Aber ich bin wirklich hierhergelaufen, anstatt zu dir! Ich habe wirklich hier im Gras gesessen! Und ich habe wirklich gewartet, bis du kamst! Das ist nicht abzuleugnen, obwohl du vor mir stehst wie einer, der es darauf abgesehen hat, mich auf den Turban meiner Gedanken zu setzen, anstatt ihn mir auf den Kopf zu tun! Ich fühle mich ganz wirr hinter der Stirn und bitte dich, mir zu verzeihen, daß ich nichts von dir erfahren habe!“
    Ich mußte mir Mühe geben, ernst zu bleiben, und fragte ihn:
    „Wer war es, der es dir sagte?“
    „Der Oberste des Schiffes, der an mir vorüberging, als er sich an Bord begab. Ich habe mit ihm gesprochen. Wir werden über drei Tage lang auf dem Wasser sein, ehe wir die Küste von Ardistan zu sehen bekommen. Weißt du, wie lange wir dort zu bleiben haben?“
    „Nein. Es kann Monate dauern, aber auch Jahre.“
    „Allah, Allah! Auch Jahre?“
    „Ja. Ich weiß, du freuest dich, die Heimat nun bald wiederzusehen –“
    „Nicht nur die Heimat“, fiel er ein, „sondern auch Hanneh, mein Weib, die schönste und lieblichste Blume unter allen Blumen, die es auf Erden gibt. Und Kara Ben Halef, der Sohn meines Herzens, den ich erzogen habe zum klügsten und besten der Menschen, die unter der Sonne wohnen.“
    „Und nun sollst du nicht heim, sondern mit nach Ardistan und Dschinnistan. Das tut dir leid!“
    „Leid? Nein! Ich will dir zwar ehrlich gestehen, daß ich lieber zu Weib und Kind zurückgekehrt wäre; aber es gibt zwei Punkte, die wohl zu erwägen sind. Der eine Punkt bist du. Es ist mir unmöglich, dich zu verlassen. Ich reite mit dir, bis die Erde unter den Hufen unserer Pferde aufhört, und auch dann noch immer weiter und weiter! Und der zweite Punkt ist die Freude an der Gefahr. Und Gefahren wird es geben, mehr als du denkst und ahnst. Das sage ich dir im voraus!“
    „Wirklich?“
    „Ja. Ich war zwar noch niemals dort, und es gibt überhaupt nur sehr wenige Menschen, die einmal dort gewesen sind, aber man hat mir viel davon erzählt, und was ich da gehört und erfahren habe, das könnte mir nicht nur Furcht und Angst, sondern gar Schrecken und Entsetzen einjagen, wenn ich nicht Hadschi Halef Omar wäre, der oberste Scheik der Haddedihn vom großen und berühmten Stamm der Schammar. Du weißt, Effendi, daß es für einen Haddedihn unmöglich ist, sich zu fürchten. Auch du kennst keine Furcht. Darum kann ich dir erzählen, was ich über Ardistan und Dschinnistan erfahren habe. Einem anderen müßte ich es verschweigen, sonst zöge es ihm die Haut vom Rücken los. Darf ich?“
    „Ja.“
    „So höre!“
    Unsere Pferde lagen vor uns, um die allabendliche Liebkosung zu erwarten. Wir setzten uns zu ihnen nieder, Halef zu Assil Ben Rih und ich zu Syrr, der mir die Hände zärtlich leckte und mich hierdurch bat, ihm Hals und Mähne zu kraulen.
    „Ardistan und Dschinnistan liegen nebeneinander“, begann Halef seinen Bericht, „oder vielmehr übereinander. Denn Ardistan liegt an der See und wird nur von einigen, nicht sehr bedeutenden Höhen durchzogen; Dschinnistan aber steigt bis zu den höchsten Bergen auf, die es auf Erden gibt. Die eigentliche Grenze zwischen den beiden Ländern kennt niemand; sie ist unbestimmt. In Ardistan herrscht ein Mir, und in Dschinnistan herrscht ein Mir. Dieses Wort ist die Abkürzung von Emir, was soviel wie Fürst bedeutet. Der Mir von Ardistan ist ein Teufel, und der Mir von Dschinnistan ist ein Engel.“
    „Können Menschen Engel und Teufel sein?“ fragte ich.
    „Jawohl“, antwortete er. „Denn Hanneh, mein Weib, die kostbarste Perle unter allen Perlen des Meeres und der Flüsse, ist ein Engel. Das weiß ich, und das beschwöre ich. Und auf der anderen Seite weißt du ebensogut, daß es auch Frauen gibt, welche Teufel sind. Und was die Weiber können, das können wir Männer wohl auch. Wenn du der Wahrheit der Ehre geben

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