24 - Ardistan und Dschinnistan I
gehört, so etwas aber doch noch nicht. Darum verhielt ich mich zunächst ganz still, als er fertig war, denn ich fand nicht die rechten Worte, mein Erstaunen über den Unsinn auszudrücken, den er mich glauben machen wollte. Er aber legte diesem Schweigen ganz andere Gründe unter.
„Nicht wahr, du bist ganz weg, Sihdi?“ fragte er. „Mein Kenntnisse haben dich übermannt! Die Schönheit meiner Sprache, die Erhabenheit meiner Bilder, die Unbesiegbarkeit der Wahrheiten, die ich dir vorgetragen habe! Ja, so etwas findest du in keinem Buch, mag es nun gedruckt oder mag es geschrieben sein! Aber ich bin müde geworden von diesem vielen und anhaltenden Sprechen. Du nicht auch?“
„Nein, denn ich war still.“
„So kannst du noch bleiben, ich aber muß schlafen gehen.“
„Allah sei Dank!“
Er hatte schon aufstehen wollen, ließ sich aber bei diesen meinen Worten wieder niederfallen und fragte:
„Wie meinst du das? Was wolltest du jetzt sagen?“
„Daß du dir die Ruhe verdient hast, welche der Schlaf zu bringen pflegt.“
„So! Das ist etwas anderes! Man weiß bei dir nicht immer gleich, wie du es meinst. Du hast zuweilen Ausdrücke, die etwas ganz anderes ausdrücken, als was durch sie ausgedrückt wird. So dachte ich auch hier; nun aber bin ich beruhigt. Lelatak mubarake – deine Nacht sei gesegnet!“
Nun stand er auf.
„Die deine auch“, antwortete ich.
Er ging drei oder vier Schritte fort, blieb überlegend stehen, wendete sich dann wieder nach mir um und sagte:
„Effendi, ich bin froh, daß es morgen fortgeht, daß wir nicht länger hierbleiben!“
„Warum?“
„Es gefällt mir nicht!“
„Höre, Halef, das ist undankbar! Eine Gastfreundschaft wie hier, haben wir noch nie gefunden!“
„Das ist wahr. Aber was nützt mir die Gastfreundschaft, wenn sie mir gerade das nicht bietet, was mir das liebste ist.“
„Was meinst du da?“
„Den Ernst.“
„Den Ernst? Wieso? Ich meine doch, daß wir uns bei sehr ernsten Personen befinden!“
„Das dachte ich auch, aber es stellte sich sehr bald heraus, daß es ein Irrtum war. Es gibt hier keinen Ernst!“
„Wirklich?“
„Ja. Sie lachen alle, alle!“
Ah, jetzt wußte ich, was er meinte. Er ärgerte sich darüber, daß man seine Übertreibungen für das nahm, was sie waren, und sich auch gar keine Mühe gab, ihm dies zu verbergen.
„Sie lachen?“ fragte ich. „Über was? Über wen? Doch nicht etwa über mich?“
„Über dich? Sihdi, das wollte ich ihnen nicht raten; da haute ich einfach zu! O nein, über mich lachen sie, über mich! Da solltest eigentlich du zuhauen!“
„Sehr gern, sehr gern nämlich, wenn ich es sehe!“
„Das ist es eben, was mich ärgert. Du bekommst es gar nicht zu sehen, sondern nur ich. Vor dir haben sie Achtung; vor dir verbergen sie es; vor mir aber nicht! Je größer, je schöner und je wunderbarer die Sachen sind, die ich ihnen erzähle, um ihr Staunen zu erregen, desto deutlicher wird ihr Lachen und desto weniger glauben sie mir. Das ist beleidigend, das ist niederträchtig; das holt meinen Zorn aus mir heraus und steckt ihn doch immer wieder in mich hinein, weil es mir als Gast verboten ist, grob zu werden. Dieser ewig hin und her gehetzte Zorn macht mich krank. Er verdirbt mir den Appetit. Ich verliere das Fleisch. Ich fühle mehr und mehr, daß ich nicht hierher gehöre und daß ich zu vornehm bin für die Personen, bei denen ich hier wohne. Warum wohne ich nicht auch, wie du, bei Marah Durimeh und Schakara? Die lachen nicht! So bin ich also froh, daß wir nicht länger bleiben; Lelatak sa'ide – deine Nacht sei glücklich!“
Er ging.
„Die deine ebenso“, antwortete ich.
Da blieb er noch einmal stehen.
„Effendi, erlaubst du mir eine Frage?“
„Ja, aber nur unter der Bedingung, daß du dann wirklich gehst.“
„Ich gehe dann, gewiß!“
„So sprich!“
„Früher erlaubtest du mir, meine Nilpferdpeitsche in den Gürtel zu stecken. Das war eine Lust. Wenn niemand mehr Verstand haben wollte, meine Karbatsch, die hatte ihn. Dann wurdest du plötzlich gebildet und human. Du verbotest mir die Peitsche. Das tat mir weh. Denn je weher man dem Feind tut, desto wohler tut man dem Freund. Seit ich die Karbatsch wegstecken mußte, haben wir kein wirkliches, kein großes Abenteuer mehr erlebt. Hierzu kam, daß du auch auf den Gebrauch deiner Gewehre verzichtetest. Der schwere, sichertreffende Bärentöter, der fünfundzwanzigschüssige Henrystutzen, mit denen du uns aus so vielen
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