24 - Ardistan und Dschinnistan I
bemüht, aus diesem Sand emporzusteigen; sie treibt neue Ranken nach der Seite und nach oben, welche der Wind dann wieder bedeckt. Aus diesem Kampf zwischen Wind und Vegetation steigt nach und nach ein Hügel empor, der meist die Form eines runden, oft aber auch vielseitigen Zeltes besitzt und zu bedeutender Höhe gelangen kann. Ist die Unterlage anstatt einer Koloquinte eine Naraspflanze, deren armdicke Ranken und Wurzeln eine Länge von fünfzehn Metern erreichen, so können sich Sanddünen bilden, die zwanzig Meter hoch sind. Eine von solchen ‚Shiwahn El Handal‘ durchzogene Gegend bietet von weitem den Anblick eines Zeltlagers, welcher aber nur den Neuling täuschen kann. Aber die seelische Wirkung äußert sich auch auf den Kenner. Wer sich zwischen diesen natürlichen Sandbauten befindet, den überkommt ein Gefühl der Unsicherheit. Es ist ihm, als ob jeden Augenblick ein Feind oder sonst irgendeine unliebe Überraschung zwischen den Zelten hervortreten werde.
Darum war ich eigentlich nicht dafür, inmitten dieser Erhöhung zu übernachten; aber sie erstreckten sich, soweit der Blick reichte, und nun stand die Sonne schon fast am Verscheiden. Es blieb also nichts übrig, als den Umständen Rechnung zu tragen. Wir suchten daher eine passende Stelle, einen Platz, der rundum von Sandhügeln umgeben war und uns die notwendige Verborgenheit bot. Er war bald gefunden; wir stiegen ab, und ich umging ihn in einem weiten Umkreis, um mich zu überzeugen, daß sich nicht etwa schon andere Leute in der Nähe befanden. Es zeigte sich keine Spur irgendeines lebenden Wesens, und so sattelten wir ab und machten es nicht nur uns, sondern auch unseren Pferden und Hunden bequem. Sie hatten ihre Pflicht vollauf getan und die Fürsorge gar wohl verdient, die der Mensch so edlen, arbeitswilligen und treuen Geschöpfen schuldig ist. Schon unterwegs hatten wir ihnen die Lippen und Nüstern wiederholt mit Wasser gekühlt; während der Mittagspause waren ihnen ebenso wie uns, nur einige Schluck gestattet worden; jetzt aber bekamen sie ein vollauf genügendes Quantum zu trinken und dann auch so viel Futter, daß sie gesättigt wurden. Ich darf nicht vergessen, zu erwähnen, daß Aacht und Uucht uns im Lauf des Tages noch zweimal auf Mannalager aufmerksam gemacht hatten. Beide Gelegenheiten waren von mir benützt worden, ihnen das Wort Manna so oft vorzusagen, daß sie es nun genau kannten.
Wir waren nun müde und schliefen sehr bald ein. Zu wachen brauchten wir nicht, denn wir konnten uns auf die scharfen Sinne und ebenso auch auf die Klugheit der Hunde verlassen. Daß dies der Fall sei, wurde uns gleich heut, am ersten Abend unseres Rittes, bewiesen. Nach dem Stand der Sterne war es noch nicht Mitternacht, so weckten mich die Hunde. Das hatte einen Grund. Ich setzte mich auf und lauschte. Zu sehen und zu hören war nichts. Aber ein ganz eigenartig scharfer und bitterlicher, mir bisher unbekannter Geruch war zu spüren, und zwar so leise, daß eine gute Nase dazu gehörte, ihn zu bemerken. Die Stelle, der er entströmte, lag also nicht so in unserer Nähe, daß wir befürchten mußten, entdeckt zu werden. Ich roch, daß er von einem Feuer kam. Es handelte sich ohne Zweifel um Menschen, und so verstand es sich ganz von selbst, daß ich nachschauen mußte, wer und wo sie waren. Ich weckte also Abd El Fadl auf und teilte ihm das Nötige mit; dann ging ich fort, dem Geruch entgegen, der, je weiter ich kam, immer stärker wurde. Die Hunde ließ ich zurück; ich brauchte sie nicht.
Schon nach kurzer Zeit erkannte ich den Geruch. Es war der unangenehme Bitterstoff der Koloquinten. Man hatte die abgestorbenen dürren Wurzeln dieser Pflanzen aus dem Sand gegraben und als Brennmaterial verwendet. Klug war das nicht. Ich schloß daraus, daß wir es nicht mit vorsichtigen und erfahrenen Leuten zu tun hatten. Ich mußte mich zwischen einer ganzen Anzahl von Sandzelten hindurchwinden, ehe ich die Stelle erreichte, um die es sich handelte. Da fand ich drei Menschen, drei Pferde und drei Kamele. Das Feuer war so klein, daß es viel mehr stank als leuchtete. Ich sah und roch sofort, daß es nur dem Zweck gedient hatte, Kaffee zu kochen. Der war soeben fertig geworden, und nun ließ man das Feuer ausgehen. Es kam mir höchst sonderbar vor, mit stinkendem Koloquintenholz sich aromatisch duftenden Kaffee kochen zu wollen; für uns aber war es gut, daß man es getan hatte, denn wer weiß, was geschehen wäre, wenn uns nicht grad diese Unklugheit in den
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