24 - Ardistan und Dschinnistan I
drei Männer, die ich jetzt vor mir hatte. Es war ja meine Berechnung gewesen, heut hinter sie zu kommen, um aus ihren Spuren alles ersehen zu können, was uns zu wissen nötig war. Mit unsern schnellfüßigen Pferden konnte es uns dann nicht schwerfallen, ihnen wieder vorauszueilen.
Jetzt tranken beide von dem eingegossenen Kaffee. Sie führten die Tassen fast zu gleicher Zeit an den Mund. So stellte sich die Wirkung auch gleichzeitig auf beiden Seiten ein; sie spuckten das, was sie in den Mund genommen hatten, sofort wieder aus.
„Pfui!“ rief der Sejjid aus. „Allah verdamme die Bitterkeit! Wer soll das trinken können!“
Er ließ eine Gebärde des höchsten Abscheus folgen und warf die Tasse in den Sand.
„Ich warnte dich!“ sagte der junge Mann herzlich lachend, indem er sich auch seiner Tasse entledigte, wenn auch in ruhiger, nicht zorniger Weise. „Es ist das erste Mal in deinem Leben, daß du Kaffee kochst.“
„Und grad mit solchem Holz!“ zürnte der Sejjid. „Wie kann der Kaffee so unvernünftig sein, den Gestank und Geschmack der Koloquinten an sich zu ziehen! Ich bin zornig. Nicht meinetwegen, sondern deinetwegen. Verzeihe mir, o Prinz!“
Prinz? Dieses Wort fiel mir sofort auf. ‚Prinz‘ wurde ja auch der ‚Panther‘ genannt, der sich sogar als ‚Erstgeborener‘ bezeichnete. Er erkannte nämlich seinen älteren Bruder nicht an, weil dieser zwar von demselben Vater, aber nicht von einer mohammedanischen, sondern von einer christlichen Mutter stammte. Man wußte, daß er sich alle mögliche Mühe gab, diesen Bruder aus der Nachfolge zu verdrängen oder, falls ihm dies nicht gelingen sollte, sich eine eigene, persönliche Herrschaft zu gründen. Dieses Zerwürfnis mit Vater und Bruder bildete den Grund, daß der ‚Panther‘ fast nie daheim bei den Seinen war. Er lebte meist bei dem Mir von Ardistan, und man erzählte sich, daß er der ganz besondere Liebling dieses sehr kriegerisch gesinnten Herrschers sei und sich sein unbeschränktes Vertrauen gewonnen habe. Daß der ‚Panther‘ jetzt, bei dem geplanten Einbruch der Tschoban in das Gebiet der Ussul den ersteren als Kundschafter vorausgeritten war, durfte nicht als ein Beweis von Heimatliebe oder Patriotismus angesehen werden. Vielmehr lag ein ganz gegenteiliger Gedanke viel näher, nämlich daß er Zwecke verfolgte, die gegen den jetzigen Scheik und seinen Nachfolger, also gegen den Vater und Bruder gerichtet waren.
Dieser Bruder, also der wirkliche Ilkewlad, der eigentliche Erstgeborene, wurde von jedermann gelobt. Er war allgemein beliebt. Man stellte ihn in jeder Beziehung über den nachgeborenen Prinzen, den ‚Panther‘. Sollte er es sein, dem ich hier mitten in der Wüste begegnete? Welch ein Glück für uns, wenn es so wäre! Eine schnelle, kluge und energische Ausnutzung dieses Umstands konnte in äußerst günstige Folgen für uns umzusetzen sein!
Der Sejjid wollte den Kaffee, der sich noch in der Kanne befand, wegschütten. Da bat der Führer, ihn trinken zu dürfen. Er bekam ihn. Die beiden Herren aber stopften sich ihre Tschibuks, um den Geruch der Koloquinte durch den Duft des Tabaks zu vertreiben.
„Nur einige Züge wollen wir tun; dann müssen wir schlafen“, sagte der, welcher Prinz genannt worden war. „Wir müssen schon vor der Sonne wieder auf. Meinst du, daß wir den Engpaß Chatar dann morgen noch vor Nacht erreichen?“
„Ja“, antwortete der Sejjid.
„Da dürfen wir aber unterwegs keine Ruhepause machen“, fiel der Führer ein. „Es ist von hier aus bis zum Engpaß so weit, daß unsere Krieger über zwei Tage brauchen würden, um hinzukommen. Ich glaube, daß wir es mit unseren guten Pferden und Kamelen in diesem einen Tag machen; aber sie werden, wenn wir dort eingetroffen sind, so ermüdet sein, daß sie nicht weiterkönnen.“
Da erkundigte sich der Prinz:
„Und wann hätten wir unsere tausend Krieger erreicht, wenn wir ihnen auf ihrem Weg nachgeritten wären, anstatt diesen direkten und geraden Weg nach dem Engpaß einzuschlagen?“
„Erst übermorgen“, antwortete der Sejjid.
„So war es richtig von uns, diesen schnurgeraden Weg zu wählen, obgleich es da keinen grünen Halm für unsere Tiere gibt. Wir wollen nur hoffen, daß die tausend nicht unterwegs zu darben haben! Sonst verzögert sich ihr Zug und wir kommen zu spät, um meinen Bruder zu retten. Welch ein Glück, daß die andern, von denen er sich getrennt hatte, ehe er mit seinen beiden Begleitern gefangen wurde, ihm
Weitere Kostenlose Bücher