24 - Ardistan und Dschinnistan I
hierauf erfährt der in Tschobanistan zurückgebliebene ältere Prinz, daß die Dschunub es mit den Tschoban gerade so machen wollen, wie diese mit den Ussul! Er reitet seinem Vater schleunigst nach, um ihm dies zu melden und ihn zu warnen! Aber er reitet in sehr kluger Weise direkt nach dem Engpaß, während sie sich weiter östlich gehalten haben, um einiger weniger, schlechter Futterplätze willen, die ihnen gar nichts nutzen, sondern ihren Zug nur aufhalten können! Das ist ein Zeichen, daß sie schlecht mit Proviant und Futter versehen sind. Sie rechnen jedenfalls darauf, gleich jenseits des Engpasses verwüsten, brandschatzen und plündern zu können, ganz wie es ihnen beliebt! So haben sie ja stets getan. Wie aber, Effendi, denkst du über ihren jetzigen Plan?“
„Genauso wie du! Sie irren sich!“ antwortete ich.
„Das meine ich allerdings auch. Was hast du für heut beschlossen?“
„Wir schlafen ruhig ein und schlafen ruhig aus.“
„Ohne uns des weiteren um den Prinzen zu bekümmern?“
„Ja.“
„Wird er uns nicht entdecken?“
„Nein. Wir liegen nicht in der Richtung, die er einzuschlagen hat. Er reitet nach Süden; wir aber lagern westlich von ihm. Er will noch vor der Sonne aufbrechen, hat also keine Zeit, sich vorher lange hier umzusehen.“
„So willst du ihn fortlassen, ohne mit ihm gesprochen zu haben?“
„Ja.“
„Und wohl nach weiteren Spuren der Tschoban suchen?“
„Nein! Dieser Prinz ist mir wertvoller und nützlicher als tausend Spuren, die wir noch entdecken könnten. Wir suchen nicht weiter, denn wir haben mehr als genug gefunden. Wir kehren also um. Wir reiten ihm nach.“
„Um ihn gefangenzunehmen?“
„Warum das? Der wäre doch wohl ein schlechter Polizist, der sich mit einem Menschen quälen wollte, der ganz von selbst und ohne allen Zwang nach dem Gefängnis läuft. Ich würde nur im Notfall Gewalt anwenden, nur beim Eintritt zwingender Ereignisse, von denen ich jetzt noch nichts weiß. Schlafen wir ganz ruhig wieder ein!“
„Aber wenn wir aufwachen, ist er fort!“
„Das soll er auch!“
„Vielleicht wo ganz anders hin, als du jetzt denkst! Er kann leicht seine Beschlüsse ändern!“
„So reiten wir ihm einfach nach. Nun ich ihn einmal habe, gebe ich ihn nicht wieder her!“
„Bist du denn deiner Sache so sicher, ihm folgen zu können, ohne daß du ihn siehst?“
„Vollständig! Wie hier die Verhältnisse liegen, wird seine Fährte wie eine feste, unzerreißbare Schnur sein, die ich immer in der Hand behalte. Gute Nacht, mein lieber Freund!“
„Gute Nacht, Effendi!“ sagte er, tief Atem holend. „Wenn du glaubst, zuversichtlich und zufrieden sein zu dürfen, so bin ich es auch. Allah gebe uns Frieden! Nicht nur für diese Nacht!“
Ich schlief schnell wieder ein, und zwar so fest, daß ich nicht von selbst aufwachte, sondern von Abd El Fadl geweckt werden mußte.
„Steh auf, Effendi!“ sagte er. „Der Prinz ist längst schon fort.“
„Woher weißt du das?“ fragte ich.
„Ich vermute es, weil die Sonne längst schon aufgegangen ist und er doch vorher aufbrechen wollte. Willst du nicht einmal nachsehen?“
„Sogleich!“
Ich stand auf und schlich mich zu der Stelle, an der die Tschoban gelagert hatten. Sie war leer. Es gab soviel Reste und Beweise ihrer Anwesenheit zu sehen, daß ein arabischer Beduine über eine solche Sorglosigkeit im höchsten Grade erstaunt gewesen wäre. Was es heißt, sich auf dem ‚Kriegspfad‘ zu befinden, davon schienen diese Leute keine Ahnung zu haben! Ihre Spuren waren so deutlich, als ob sie mit Absicht gemacht worden seien, und keiner von ihnen hatte sich auch nur die geringste Mühe gegeben, sie wieder zu verwischen. Als wir ihnen eine Viertelstunde später folgten, bedurfte es nicht der geringsten Anstrengung, ihre Fährte zu entdecken. Sie bildete in Wirklichkeit die feste, unzerreißbare Schnur, von der ich gesprochen hatte.
Unsere Pferde gingen ganz von selbst schneller als die ihren. Darum dauerte es gar nicht lange, bis wir ihnen so nahe waren, daß wir sie von weitem sahen; da hielten wir an. Das wiederholte sich so oft und in immer so gleicher, eintöniger Weise, daß es uns langweilig wurde. Wir beschlossen, sie zu überholen, doch nach der Seite hin, so daß sie uns nicht sehen konnten. Wir durften dies sehr wohl tun, weil sie nun schon stundenlang die Richtung nach dem Engpaß eingehalten hatten und es keinen Grund für uns gab, anzunehmen, daß sie von ihr abweichen würden. Wir
Weitere Kostenlose Bücher