24 - Ardistan und Dschinnistan I
habe, nicht dein Eigentum. Darum hole ich mir zurück, was du mir vorhin genommen hast.“
Ich griff ihm in die Tasche und steckte meine Uhr wieder zu mir.
„So ist sie also nicht mehr mein“, fragte er naiv.
„Nein.“
„Schadet nichts! Ich nehme mir sie wieder!“
„Versuche, es zu tun! Jetzt reite ich nach eurem Lager, um mit –“
„So mach mich los!“ unterbrach er mich.
„Geduld, Geduld! Ich reite zunächst allein.“
„So nimmt man dich gefangen, wie man deinen Gefährten jedenfalls auch gefangengenommen hat!“
„Pah! Du nahmst mich ja auch gefangen – und wer ist nun jetzt der Gefangene?“
„Ich war nur eine Person und traute deiner Rede; sie aber sind ihrer viele und trauen dir nicht!“
„Ob sie mir trauen oder nicht, das ist mir gleich; ich will nur, daß sie mir gehorchen.“
„Gehorchen? Das werden sie nicht.“
„Sie müssen!“
„Wie wolltest du sie zwingen?“
„Durch dich.“
„Durch mich? Ich gebe mich nicht dazu her, sie zum Gehorsam gegen dich zu verführen!“
„Du sprichst, ohne dabei zu denken! Du hast dich ja schon dazu hergegeben, nämlich mir! Nun reite ich auf deinem dicken Smihk nach eurem Lager und – – –“
„Auf meinem Smihk?“ unterbrach mich der Scheik. „Das wirst du mit deinem Leben zu bezahlen haben. Meine Krieger machen dich tot, sofort tot!“
„Warum?“
„Weil sie glauben, daß du dich an mir vergriffen hast!“
„Das ist es ja grad, was ich will! Sie sollen es nicht nur glauben, sondern ich werde es ihnen selbst sagen, selbst mitteilen.“
„So bist du verloren!“
„Im Gegenteil: Es wird meinen Gefährten retten, falls sie etwa Böses mit ihm vorhaben.“
„Du kennst sie nicht!“
„Das ist auch gar nicht nötig. Ich brauche nur mich zu kennen. Ich sage ihnen, daß ich dich gefangengenommen und festgebunden habe und daß du sterben mußt, wenn man gegen mich oder meinen Gefährten auch nur die geringste Feindseligkeit unternimmt.“
„Sterben?“ fragte er erschrocken.
„Ja.“
„Ich?“
„Ja, du!“
„Welch ein Schreck für Taldscha, meine Frau!“
Taldscha heißt Schneeglöckchen. Sollte dieser Mann eine Frau besitzen, die an Schönheit, Reinheit, Lieblichkeit und Zierlichkeit mit einem Schneeglöckchen zu vergleichen war? Ich wurde neugierig, dieses niedliche Glöckchen zu sehen.
„Du willst also meinen Leuten mit meinem Tod drohen?“ fuhr er fort.
„Ja“, antwortete ich.
„Sie können einem solchen Knirps, wie du bist, ganz unmöglich glauben, daß du mich überwältigt hast!“
„Darum reite ich auf deinem ‚Dicken‘. Wenn sie sehen, daß ich dir den abgenommen habe, werden sie überzeugt sein, daß du dich in meiner Gewalt befindest.“
„Fremder, du bist ein ganz verteufelter, ein ganz pfiffiger Kerl! Wenn man nur nicht so gezwungen wäre, dich liebzuhaben! Wann wirst du wiederkommen?“
„Das kann kurze Zeit, das kann auch Stunden dauern, je nachdem deine Krieger mit sich reden lassen oder nicht.“
„Und während dieser Zeit soll ich hier hängen bleiben?“
„Ja.“
„So rufe ich um Hilfe! Ich brülle! Meine Leute werden mich suchen und es hören, wenn sie in die Nähe kommen! Dann binden sie mich los und du bist verloren!“
„Du wirst nicht um Hilfe rufen können, denn ich werde dir einen Knebel in den Mund stecken.“
„Einen Knebel? Könntest du wirklich so schlecht sein?“
„Ja. Sogar noch viel schlechter.“
„Dann werde ich wenigstens so laut brummen, daß man es hören muß. Das kann man selbst bei verschlossenem Munde!“
„So binde ich dir auch die Nase zu!“
„Wirklich? Dann müßte ich doch unbedingt ersticken!“
„Das weiß ich ebenso gut wie du; aber du willst es ja nicht anders. Du drohst mir mit Schreien und Brummen und weißt doch, daß ich das verhüten muß. Jammerschade!“
Ich sprach dieses letztere Wort im Ton des Bedauerns aus. Er sah mich prüfend an und fragte dann:
„Schade? Was ist jammerschade?“
„Daß du mich zwingst, so streng gegen dich zu sein. Ich quäle dich nur ungern damit, daß ich dir Mund und Nase verschließe.“
„Ungern? Wirklich? Ja! Du bist nicht nur ein kluger Mensch, sondern auch ein sehr lieber, guter Kerl. Der Knebel, den du mir in den Mund stecken willst, tut deinem Herzen weh. Aber warte einmal! Ich will nachdenken. Vielleicht finde ich ein Mittel, den Knebel zu umgehen.“
Er zog seine Stirne in ihre tiefsten Denkerfalten und blinzelte mit den Augen, um mir anzudeuten, daß die angeborene
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