24 - Ardistan und Dschinnistan I
Intelligenz in ihm zu arbeiten beginne; dann rief er plötzlich aus:
„Ich hab's! Was wirst du tun, wenn ich dir verspreche, weder um Hilfe zu rufen noch zu brummen?“
„Dann werde ich dir weder Mund noch Nase verschließen, denn ich weiß, daß du dein Versprechen unbedingt halten wirst.“
„Unbedingt!“ stimmte er bei. „Habe ich dir noch nie gesagt, daß die Ussul die Lüge hassen? Ich bleibe still, selbst wenn meine Leute kämen.“
„Aber losbinden ließest du dich von ihnen?“
„Auch das nicht, falls du mir versprichst, ganz sicher zurückzukehren, um mich wieder loszumachen.“
„Und glaubst du diesem meinem Versprechen?“
Da sah er mich verwundert an und antwortete:
„Warum soll ich dir nicht glauben? Du glaubst ja doch auch mir! Hältst du mich etwa für schlechter, als du bist?“
Welch ein Mensch! Ich fühlte mich innerlich verpflichtet, diese beispiellose Rechtschaffenheit sofort zu belohnen. Darum sagte ich:
„Wie sehr ich deinem Worte traue, das will ich dir beweisen. Wenn du mir versprichst, hier an diesem Baumstamm sitzen zu bleiben und ihn als dein Gefängnis zu betrachten, bis ich zu dir zurückkehre, so binde ich dich los.“
„Ich verspreche es. Genügt dir das?“
„Ja.“
Ich knüpfte erst den Lasso und dann auch alle Riemen auf. Während ich dies tat, gestand ich ihm aufrichtig:
„Ich bin sogar bereit, dich vollständig freizugeben und nach eurem Lager mitzunehmen, wenn du mir dein Wort gibst, mich und meinen Begleiter nicht als Feinde zu behandeln.“
Er schüttelte den Kopf und erklärte:
„Aus diesem Vorschlag spricht die Stimme deines Herzens, aber es ist mir verboten, auf sie zu hören.“
„Von wem?“
„Von der Ehrlichkeit. Wir Ussul geben niemals Versprechen, von denen wir wissen, daß sie höchstwahrscheinlich nicht zu halten sind. Ich weiß ebensowenig wie du, wo dein Begleiter steckt und was er getan hat, oder was mit ihm geschehen ist. Falls man ihn ergriffen hat, kommt es darauf an, ob er sich dagegen wehrt. Ein einziger Tropfen Blut kostet ihm das Leben. Und selbst wenn er keinen Widerstand leistete, bin ich nicht der einzige, der über sein Schicksal zu bestimmen hat. Der Sahahr (Zauberer) hat auch mitzubestimmen. Ich kann dir also kein Versprechen machen und bleibe lieber als rechtschaffener Mann hier im Gefängnis sitzen, als daß ich mir die Freiheit durch Betrug erkaufe!“
Er war inzwischen von seinen Fesseln befreit, setzte sich nieder und lehnte sich an den Pappelstamm mit der Miene eines Mannes, der entschlossen ist, an Ort und Stelle zu bleiben.
„So reite ich denn allein fort“, sagte ich. „Du wirst also hier warten, bis ich zurückkehre?“
„Ja.“
„So werde ich mich beeilen. Leb wohl!“
Ich reichte ihm die Hand. Er schüttelte sie mir in höchst brüderlicher Weise, ließ über sein urwaldbärtiges Gesicht ein freundliches Lächeln gehen und sprach:
„Kehr bald zurück! Ich freue mich schon darauf. Ich habe dich schon sehr gern, genauso gern wie der Smihk!“
Er bezog sich mit dieser Äußerung auf den Urgaul, der vor Wonne zu trampeln begann, als er sah, daß ich beabsichtigte, mich wieder auf seinen Rücken zu schwingen. Und als ich oben war, stieß er einen Jubelschrei aus, der genauso klang, als ob der tiefste Ton einer Baßposaune mit dem höchsten Ton einer Pikkoloflöte im heftigsten Zweikampf liege, und rannte mit solcher Schnelligkeit davon, als ob er den Scheik der Ussul im ganzen Leben nicht wiedersehen wolle.
Ich bin einmal mit einem feschen Tirolerbuben, der am Tag vorher Hochzeit gemacht hatte, auf die Alp gestiegen. Der konnte sich vor lauter Glück nicht fassen und stieß alle fünfzig oder hundert Schritte einen schallenden Jauchzer aus, sonst wäre er vor Seligkeit zerplatzt. Mein ‚Dicker‘ schien ähnlich wirkende Seligkeiten im Busen zu tragen, denn er benahm sich fast genau in derselben Weise. Während er spornstreichs dahinrannte, ohne sich nach rechts oder links umzusehen, riß er von Intervall zu Intervall das Maul auf und ließ einen Juchzer hören, welcher so klang, als ob ein Kanonenschuß, ein Ziegenmeckern, ein Hähnekrähen, ein Eselsschrei und das Zischen einer dampf abblasenden Lokomotive zusammengemischt und dann mit aller Gewalt durch einen Klarinettenschnabel hinausgeblasen werde. Und wunderbar war es, daß ich ihn fast nicht zu lenken brauchte. Er schien mein Gespräch mit seinem Herrn genau verstanden zu haben und infolgedessen sehr wohl zu wissen, wohin ich jetzt wollte.
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