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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verlaufende Lichtung wirkte zwischen dem dunklen Saum der Bäume wie ein Fernrohr, welches das Objekt vergrößert und verdeutlicht. Ich konnte die Kleidung und die Gesichtszüge nicht erkennen, aber der eine von den beiden war bedeutend kleiner als der andere. Im Lager schien sich niemand zu befinden. Die Leute, die ich sah, standen am Ufer des Sees oder waren unterwegs nach dem Lager zurück.
    Je mehr ich mich dem letzteren näherte, desto bestimmter wurden die Umrisse dessen, was ich sah. Die Gesichtszüge derer, die mir näher waren, wurden deutlicher, und ich erkannte die Kleidung des kleinen Mannes im Kahn; Halef war es. Ich vermutete, daß man ihn gefangengenommen hatte und nun nach der Insel schaffen wollte. Man hatte mich bis jetzt noch nicht bemerkt, weil die Aufmerksamkeit auf den Kahn gerichtet gewesen war; nun aber sah man mich. Das Pferd des Scheiks, und ein fremder Mann darauf! Im rasenden Galopp, wie man den ‚Dicken‘ noch niemals hatte laufen sehen! Man erhob ein lautes Geschrei und kam von der mir entgegengesetzten Seite auf das Lager zugerannt. Es waren lauter riesige Gestalten, einige von ihnen sogar noch größer als der Scheik. Sie rissen ihre Waffen von den Baumstämmen, an denen sie hingen oder lehnten, und schauten mir drohend entgegen. Natürlich glaubten sie, daß ich im Lager anhalten werde. Der ‚Dicke‘ schien allerdings dieses Willens zu sein, denn als wir noch ungefähr dreißig Pferdelängen entfernt waren, minderte er die Schnelligkeit seines Laufes. Da aber kam mir ein Gedanke: War es einmal gelungen, meinen Halef nach der Insel zu schaffen und dort zu isolieren, so bildete er in den Händen der Ussul eine Geisel gegen meine Geisel, und ich verlor den besten Trumpf, den ich besaß. Der fette, runde ‚Dicke‘ war auf alle Fälle ein guter Schwimmer. Er durfte nicht stehenbleiben. Er mußte zum See und mit mir in das Wasser. Ich stieß ihm also die Sporen in die Seiten. Da gab er den Vorsatz, anzuhalten, auf und griff von neuem aus. Ich steckte meine Revolver, um sie gegen Nässe zu schützen, in das Innere meines ledernen Gürtels und nahm die beiden Gewehre in die Hand, um sie beim Sprung in das Wasser hochzuhalten. So schossen wir an dem Lager vorüber, in den Wald hinein und auf den See zu. Die dort Stehenden hörten das Geschrei derer, die sich auf dem Wege nach dem Lager befunden hatten. Sie sahen mich und stimmten in das Geschrei mit ein.
    Es gab eine hochinteressante, unendlich wilde Szene. Diese mächtigen Urwaldbäume! Dieser schlangengleich sich windende, mir wie ein lauerndes Unglück entgegenschimmernde See! Diese gigantischen Menschengestalten! Diese unartikulierten Stimmen! Diese grotesken, ungeschlachten Bewegungen, in die sie ihre Drohungen kleideten! Dazu der ungewöhnliche Anblick, den ich auf dem vor Anstrengung laut stöhnenden ‚Dicken‘ bieten mußte. Meine Sporen trieben ihn vorwärts. Er weigerte sich nicht im geringsten. Er schien keine Spur von Furcht vor dem Wasser zu besitzen und das hinter uns und vor uns erdröhnende Geschrei für eine sehr ästhetische Anregung zu halten, denn als er dem Wasser in nächste Nähe kam, brüllte er laut und ehrlich mit und flog in einem wahren Riesensprunge vom Ufer weg in die tiefe Flut hinein. Wie es geschehen konnte, daß das Wasser mich nicht von seinem breiten Rücken hob, das weiß ich heut noch nicht. Ich hielt im Sprung die Gewehre hoch, sank aber infolge der Schwere mit dem ‚Dicken‘ so vollständig unter, daß auch die Waffen naß wurden, doch glücklicherweise nur äußerlich, denn wir tauchten sofort wieder auf, und da war es ein für mich sehr günstiger Umstand, daß ich noch fest saß und mich von dem ‚Dicken‘ tragen lassen konnte, anstatt selbst schwimmen zu müssen.
    Das Urpferd benahm sich so, als ob es von den Amphibien stamme, die im Wasser ebenso zu Hause sind wie auf dem Land. Es schwamm nicht nur gut, sondern auch schnell. Und, was die Hauptsache war, es sah das Boot, welches nach der Insel strebte, und schwamm ihm augenblicklich nach, und zwar mit einem solchen Eifer, als ob es meine Absichten begriff. Hätte es eine andere Richtung eingeschlagen, so wäre es mir wohl sehr schwer geworden, dem Boote nicht nur zu folgen, sondern gar es einzuholen. Nun sah ich auch die Züge des kleinen Mannes deutlich, der darin saß: es war wirklich Halef. Ganz selbstverständlich erkannte er auch mich.
    „Hamdullillah, Allah sei Preis und Dank, daß du kommst!“ rief er mir zu. „Man will mich

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