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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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D er schwarze Pfeilschaft war mit Krähenfedern versehen, doch die Spitze konnte Hylas nicht erkennen. Sie steckte tief in seinem Arm.
    Während er den Hügel hinunterstolperte, hielt er den Schaft mit einer Hand fest. Zum Herausziehen hatte er keine Zeit. Die Schwarzen Krieger konnten ganz in der Nähe sein.
    Er war halb verdurstet und völlig erschöpft. Die Sonne brannte unbarmherzig und das Dornengestrüpp bot wenig Deckung. Er fühlte sich entsetzlich ausgeliefert. Am schlimmsten aber setzte ihm die Sorge um Issi zu und das fassungslose Entsetzen darüber, was mit Scram geschehen war.
    Vor ihm lag der Pfad ins Tal. Er blieb keuchend stehen. Zikaden sirrten ohrenbetäubend, ein Falkenschrei hallte durch die Schlucht. Von seinen Verfolgern war nichts zu hören. Hatte er sie tatsächlich abgeschüttelt?
    Er konnte es immer noch nicht glauben. Am Abend zuvor hatten er und Issi ihr Lager in einer Höhle unterhalb des westlichen Gipfels aufgeschlagen. Nun war seine Schwester verschwunden, sein Hund war tot, und er rannte, unbekleidet und unbewaffnet, um sein Leben. Sein einziger Schutz war das schmutzige, kleine Amulett, das er an einem Lederriemen um den Hals trug.
    Der verletzte Arm pochte schmerzhaft. Hylas hielt den Pfeilschaft umklammert und wankte zum Rand des Pfades. Kleine Steinchen lösten sich und kullerten in die schwindelerregende Tiefe, wo sich der Fluss wand. Der Abhang war so steil, dass seine Zehen sich auf gleicher Höhe mit den Kiefernwipfeln ein Stück weiter unten befanden. Vor ihm erstreckte sich die Bergkette bis in weite Ferne, hinter ihm ragte der höchste Berg des Gebirgszuges auf: der Lykas, dessen schneebedeckte Gipfel gleißend in der Sonne leuchteten.
    Er dachte an das Dorf tief unten in der Schlucht und an seinen Freund Telamon in der Festung des Stammesfürsten auf der anderen Seite des Berges. Hatten die Schwarzen Krieger das Dorf in Brand gesteckt und die Feste Laphitos angegriffen? Aber dann hätte er den Rauch riechen oder den Alarmruf der Widderhörner hören müssen. Warum leisteten der Fürst und seine Männer keinen Widerstand?
    Der Schmerz in seinem Arm war inzwischen unerträglich geworden. Hylas pflückte eine Handvoll Thymianzweige und riss das pelzige, graue Blatt einer Königskerze ab, um die Wunde damit zu verbinden. Es war so flauschig weich wie ein Hundeohr. Er runzelte die Stirn. Jetzt bloß nicht an Scram denken.
    Sie waren bis kurz vor dem Angriff zusammen gewesen, Scram hatte sich an ihn geschmiegt, das struppige Fell voller Kletten. Hylas hatte einige herausgeklaubt, bevor er Scrams Schnauze weggeschoben und ihm befohlen hatte, die Ziegen zu bewachen. Scram war mit wedelndem Schwanz davongetrottet und hatte ihm mit einem Blick zurück zu verstehen gegeben: Ich weiß schon, was ich zu tun habe, ich bin schließlich ein Hirtenhund.
    Denk nicht dauernd an Scram, ermahnte sich Hylas wütend.
    Er presste die Zähne zusammen und legte die Finger fester um den Pfeilschaft. Dann hielt er die Luft an und zog ihn mit einem Ruck heraus.
    Der Schmerz war so heftig, dass er beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. Er biss sich auf die Lippe, kämpfte schwankend gegen die Übelkeit erregenden roten Wellen an. Scram, wo bist du? Warum bist du nicht hier und tröstest mich?
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht zerrieb Hylas den Thymian und presste ihn auf die Wunde. Das Verbinden mit nur einer Hand gelang ihm erst nach einer Weile. Zum Schluss wickelte er einen Grashalm um das Wollkraut und zog ihn mit den Zähnen fest.
    Vor ihm auf dem Boden lag die Pfeilspitze. So eine hatte er noch nie gesehen: Sie war rund wie ein Pappelblatt, mit einer üblen, sich verjüngenden Spitze. Hier in den Bergen verwendete man Pfeilspitzen aus Feuerstein oder gelegentlich Bronze, vorausgesetzt man war reich genug. Diese Spitze bestand jedoch aus schwarz glänzendem Obsidian, was Hylas nur wusste, weil die Seherin im Dorf eine Scherbe aus diesem Material besaß. Sie behauptete, es sei das Blut von Mutter Erde, das sie aus ihren glühenden Eingeweiden ausgespien habe. Es stamme von einer Insel weit draußen im Meer.
    Wer waren diese Schwarzen Krieger? Warum verfolgten sie ihn? Er hatte doch nichts Böses getan.
    Ob sie inzwischen Issi gefunden hatten?
    Plötzlich flatterte hinter ihm ein Taubenschwarm auf.
    Er wirbelte herum.
    Von dort, wo er stand, führte der Pfad steil bergab und dann um einen Felsvorsprung, hinter dem eine dichte, rote Staubwolke aufstieg. Hylas vernahm stampfende Schritte und das Klappern

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