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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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leiden brauchen und grad an dem, was die Tschoban sich vergeblich wünschen, reicher sind als reich.“
    Das Gespräch mußte abgebrochen werden, denn wir landeten. Was ich da gehört hatte, war höchst interessant. Und nicht bloß das allein, denn er hatte es auch in einer Weise gesagt, die nicht seine gewöhnliche war. Wahrscheinlich brauchte man zu der angebrochenen Intelligenz der Ussul nur liebevoll hinunterzusteigen, um sie wecken und emporheben zu können. Ich freute mich schon jetzt darauf, die Sage von dem verschwundenen Fluß zu hören.
    Als wir im neuen Lager ankamen, war es unser erstes, zwei Ussul nach der Insel zu schicken, um die Gefangenen zu bewachen. Ich hielt dies zwar nicht für unumgänglich notwendig, aber nach dem, was wir erfahren hatten, waren die drei Tschoban so wichtig für uns geworden, daß keine Handlung der Vorsicht als unnütz bezeichnet werden konnte. Dann wurde erzählt. Es versteht sich ganz von selbst, daß die Kunde, die wir brachten, aufregend wirkte. Die Ussul hatten zwar gehört, daß die Tschoban zu einem neuen Einfall rüsteten; aber so gewiß wie jetzt hatten sie es doch nicht gewußt. Und ebensowenig hatten sie geahnt, daß es so bald geschehen werde. Der jetzige Jagdzug war nur zum Zweck der Verproviantierung unternommen worden, und ich erfuhr nun, daß auch noch andere Jagdgesellschaften in die Wälder geschickt worden waren, um das zu tun, was der Indianer als ‚Fleischmachen‘ bezeichnet. Man sah sich gezwungen, diesmal mehr als früher das Wild heranzuziehen, weil die zahmen Herden sich von dem Verlust, den ihnen der letzte Einfall der Tschoban bereitete, noch nicht wieder erholt hatten. Der Scheik und auch Taldscha versicherten mir, daß ihr ganzer Stamm der Hungersnot verfallen müsse, wenn es nicht gelinge, die ihnen bevorstehenden neuen Verluste abzuwehren.
    „Was gedenkt ihr zu tun? Habt ihr einen Plan?“ fragte ich.
    „Ja“, antwortete der Scheik.
    „Welchen? – Darf ich ihn erfahren?“
    „Der, den wir immer verfolgen.“
    „Also die Belagerung?“
    „Die Belagerung!“ nickte er. „Wir schaffen, wenn wir den Überfall zeitig genug erfahren, unsere Herden nach der Hauptstadt. Auch alle Krieger vereinigen sich da. Die Weiber und Kinder verstecken sich, bis die Gefahr vorüber ist. Der Feind kommt und umzingelt uns; wir aber sind vom Wasser gedeckt; er kann nicht herüber und muß wieder abziehen.“
    „Wie lange dauert das immer?“
    „Oft mehrere Wochen.“
    „Hm! Während dieser Zeit zieht der Feind raubend im Land herum! Ihr aber steckt tatenlos hinter dem schützenden Wasser und habt nicht nur die Menschen zu ernähren, sondern auch die Herden zu füttern! Das kann euch doch nur schädigen, selbst wenn der Feind schließlich gezwungen ist, abzuziehen! Ist das so oder nicht?“
    „Es ist so!“ antwortete Taldscha diesmal an Stelle ihres Mannes. „Auch dann, wenn die Tschoban die Belagerung aufheben mußten, ohne uns ausgeraubt zu haben, nahmen sie doch noch ganz bedeutende Beute mit, die sie sich ringsum zusammengeholt hatten. Und in unsern Herden brach dann infolge des Hungers und des Zusammengedrängtseins fast immer ein Sterben aus, das große Opfer forderte.“
    „Ihr habt euch stets nur dadurch gewehrt, daß ihr euch einschließen und belagern ließet?“
    „Ja.“
    „Warum das?“
    „Weil es so Sitte war. Unsere Vorfahren haben es stets getan, und so taten wir es auch.“
    „So seid ihr niemals auf den Gedanken geraten, die Angreifer zu machen, anstatt nur immer die Angegriffenen zu sein?“
    „Nie!“
    „Sonderbar!“
    „Ja, sonderbar, höchst sonderbar!“ fiel hier Halef ein. „Die Herrin der Ussul hat es mir übelgenommen, daß ich ihr zugetraut habe, einmal nicht Wort zu halten. Ich bemerke das erst jetzt, weil sie es beharrlich vermeidet, mich anzusehen. Ist ihre Ehre so fein und so empfindlich, daß sie schon ein kleines, unbedachtes Wort so gewaltig übelnimmt, so sollte diese ihre Ehre zu anderen Zeiten nicht so grob und unempfindlich sein, daß man sie wochenlang belagern und ihre ganze große Herde rauben darf, ohne daß sie sich hiervon beleidigt zu fühlen scheint. Mich, den einzelnen, kleinen Menschen, den sie nur für einen unbedeutenden Zwerg gehalten hat, verfolgt sie mit ihrer Rache. Was hat sie getan, um sich an den Tschoban zu rächen? Mich bestraft sie eines einzigen, unschädlichen Wortes wegen. Womit hat sie die riesengroßen Missetaten der Tschoban bestraft? Reicht ihr Mut nur zur Verachtung und

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