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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entfernt hatten, daß wir nicht gehört werden konnten, sagte der Scheik: „Wie recht hast du gehabt, und wie gut war es, daß wir sie belauschten!“
    „Und wie falsch war es, daß du so vorzeitig dazwischen fuhrst!“ tadelte sie ihn. „Es ist gar nicht zu ahnen, was wir alles noch erfahren hätten, wenn du ruhig geblieben wärst!“
    „Verzeih! Ich hielt es nicht länger aus. Es ist kein Spaß, sich als einen Dummkopf bezeichnen zu lassen, wenn man keiner ist! Übrigens glaube ich, daß wir genug erfahren haben. Nun wissen wir, woran wir sind. Mehr brauchen wir nicht. Wir kennen sogar den Tag, an dem das Heer der Tschoban durch den Paß von Chatar reitet.“
    „Wo liegt der Paß von Chatar, und wie ist er beschaffen?“

„Er liegt an der Grenze der Wüste, welche die Steppen der Tschoban von meinem außerordentlich fruchtbaren Land trennt. Er besteht nur aus Stein. Er ist so lang, daß man fast einen halben Tag braucht, um zu Pferd von seinem Anfang an sein Ende zu kommen. Seine Breite ist gering; sie beträgt an ihrer beträchtlichsten Stelle den Ritt von nur einer Viertelstunde. Es gibt aber Punkte, wo sie so schmal ist, daß ich auf der einen Seite die Worte genau verstehe, die mir jemand von der andern herüberruft.“
    „Was gibt es rechts und links? Etwa Gebirge?“
    „O nein! Sondern Wasser.“
    „Was für Wasser?“
    „Das Meer.“
    „Das Meer?“ fragte ich verwundert. „So ist dein Land eine angeschwemmte Erde? So ähnlich wie das Delta des Nils? Eine Halbinsel, die mit dem Festland derart in Verbindung steht, wie zum Beispiel der griechische Peloponnes durch die Landenge von Korinth mit Hellas zusammenhängt?“
    Da kratzte er sich verlegen den Bart und antwortete:
    „Was Delta ist und Korinth und Hellas und Peloponnes, das weiß ich nicht; aber gelehrte Leute sollen behauptet haben, daß das Land der Tschoban früher ein ungeheurer See gewesen sei, während im Süden davon, also da, wo wir uns jetzt befinden, das Meer gelegen habe. Beide, der See und das Meer, seien durch einen starken Felsenkamm getrennt gewesen. Ein großer Fluß habe den See gespeist und die Wasser desselben so schwer gemacht, daß der Felsenkamm endlich nicht länger widerstehen konnte. Der Druck der Wassermenge zwang ihn, sich zu öffnen. Sie rauschte in das Meer hinaus und riß die Felsbrocken mit sich fort, um sie hüben und drüben weit in das Meer hinein aufzutürmen. So soll der jetzige Engpaß Chatar entstanden sein. Als der See hierdurch leer geworden war, zeigte es sich, daß der Boden seines südlichen Teils nur aus unfruchtbarem Steingeröll bestand. Das ist die Wüste der Tschoban, die ich schon erwähnte. Der nördliche Teil erwies sich als nützlicher; er brachte nach und nach Gräser und Stauden hervor, wenn auch keine Bäume. Das ist die Steppe der Tschoban. Der Fluß ging durch beide hindurch, durch die Steppe und durch die Wüste. An seinen Ufern wuchsen nach und nach Büsche und Bäume; aber eben auch nur da, am Ufer, weiter nicht. Denn das fruchtbare Land, welches der Fluß aus den höher liegenden Gegenden brachte, wurde von ihm bis hinaus in das Meer getragen und dort von ihm niedergesenkt und aufgebaut. Es wuchs immer größer und größer, immer breiter und breiter. Der Fluß teilte sich in viele, in unzählige Arme und Zweige, die alle an der Entstehung des neuen Landes zu arbeiten hatten. Wahrscheinlich ist es dasselbe, was du vorhin Korinth oder Hellas oder Delta nanntest. Die Wasser und die Winde brachten Körner und Samen, die guten Boden fanden. Es entstanden Wälder, deren Größe ebenso wuchs wie die Größe des Landes selbst. Das ist das Land der Ussul, in dem du dich befindest.“
    „Und der Fluß?“ fragte ich. „Wo finde ich den?“
    „Der ist verschwunden, fort, weg, für alle Zeit.“
    „Wohin?“
    „Hm! Wohin! Hierüber gibt es eine alte Sage, die zu lang ist, als daß ich sie dir jetzt erzählen könnte, weil wir sogleich das Ufer erreichen werden. In der Steppe und in der Wüste der Tschoban gibt es seitdem keinen einzigen Tropfen fließendes Wasser mehr, und so sind die Bäume und Sträucher gänzlich verschwunden, die damals am Ufer des Flusses standen. Das Land der Ussul aber ist wie ein Schwamm, welcher die Wasser des Meeres an sich saugt, um sie zu reinigen und trinkbar zu machen. Schau dieses Wasser hier, welches aus dem Meer stammt und doch keinen Tropfen Salz mehr hat! Und morgen, wenn wir in die Hauptstadt kommen, wirst du sehen, daß wir an Durst niemals zu

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