24 Stunden
Frauen sahen aus wie Überlebende eines Luftangriffs, die zu benommen waren, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Dennoch bemühten sie sich, weiterhin zu funktionieren. Ihr Verstand drängte sie, das zu tun, was ihnen im Moment am nahe liegendsten erschien. Sie waren nicht in der Lage, an die Konsequenzen ihres Handelns zu denken.
Abby wollte auf Karen zulaufen, aber Will hielt sie am Arm fest. Karen war nicht recht bei Sinnen, sonst wäre sie sofort auf Abby zugerannt.
»Gib mir die Waffe, Karen«, sagte Will.
Scheinbar hatte sie ihn nicht gehört. Sie richtete die Walther noch immer auf Cheryls Kopf, der nur zwei Schritte vom Lauf der Waffe entfernt war. Cheryl schien das gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Sie stopfte emsig die Geldscheine in die Aktentasche. Will sah Blut an ihrer Schulter, aber die Kugel hatte offensichtlich keinen größeren Schaden angerichtet.
Will humpelte auf seine Frau zu. »Karen? Würdest du mir bitte die Waffe geben? Ich brauche sie.«
»Sie ist eine von ihnen!«, schrie Karen unvermittelt. »Oder nicht?«
»Es ist vorbei«, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen, damit sie die Waffe hineinlegen sollte. »Hickey ist tot. Und sie wird nicht abhauen.«
Als Karen die Walther wegzog, damit Will sie nicht ergreifen konnte, sah er eine breite Blutspur auf ihrem Unterleib.
»Was ist passiert?«
»Er hat auf mich geschossen«, sagte sie, wobei sie die Waffe noch immer auf Cheryl richtete.
»LASSEN SIE DIE WAFFE FALLEN!«, rief plötzlich ein Mann. »STAATSPOLIZEI! LASSEN SIE DIE WAFFE FALLEN!«
Will drehte sich um und sah zwei uniformierte Staatspolizisten, die Revolver auf Karen richteten.
»Nicht schießen!«, schrie er. »Sie steht unter Schock!«
»LASSEN SIE DIE WAFFE FALLEN!«, schrie einer der Polizisten noch einmal.
Karen drehte sich um, ließ die Waffe jedoch nicht fallen. Will, der wusste, dass die Polizisten jeden Moment schießen könnten, stellte sich zwischen die Revolver und Karen. Im gleichen Augenblick kam ein scharfer Wind auf und wirbelte eine Säule aus Kies und Schlacke in die Höhe.
Ein Beil-Hubschrauber mit den gelben Buchstaben des FBI auf dem Tank flog über die Straße und setzte neben dem noch schwelenden Trümmerhaufen von Wills Flugzeug auf. Zwei Männer in Anzügen kletterten aus dem Cockpit und liefen mit gezückten Dienstmarken auf die Polizisten zu. Sie wechselten schnell ein paar Worte, woraufhin einer der Polizisten seine Waffe senkte, doch den anderen schien der FBI-Ausweis nicht zu beeindrucken. Einer der Agenten stellte sich zwischen den eigensinnigen Polizisten und Karen und sprach Will an.
»Sind Sie Dr. Jennings?«
»Ja.«
»Ich bin Frank Zwick. Ich freue mich, dass Sie am Leben sind.«
»Ich bin verdammt froh, dass Sie da sind. Können Sie uns helfen? Meine Frau ist angeschossen worden und steht unter Schock.«
»Können Sie sie dazu bringen, die Waffe niederzulegen?«
Will drehte sich zu Karen um und hob die Hand. »Liebling, du musst mir die Waffe geben. Diese Leute wollen uns helfen. Du kannst nicht... «
Karen schwankte und fiel zu Boden.
Will kniete sich neben sie. Ihr Puls war schwach. So vorsichtig wie möglich beugte er sich über sie und knöpfte ihre blutdurchtränkte Bluse auf. Die Kugel hatte sie in die linke Seite des Unterleibs getroffen und vermutlich die Milz verletzt. Er hielt sein Ohr an ihren Mund, lauschte ihrem Atem und beobachtete gleichzeitig ihren Brustkorb. Ihre Atmung war in Ordnung, und ihre Lungen waren vermutlich unversehrt, aber Will sah, dass ihr Bauch aufgrund innerer Blutungen aufgebläht war.
»Was ist mit Mama?«, jammerte Abby. »Daddy, was hat sie?«
»Es ist alles in Ordnung«, versicherte er ihr, obwohl die Gefahr bestand, dass sie an der Verwundung starb, wenn sie nicht sofort operiert wurde.
»Der Krankenwagen ist etwa fünf Meilen entfernt«, sagte Zwick. »Er kommt über den Standstreifen hierher und müsste in fünfzehn bis zwanzig Minuten hier sein.«
»Ich möchte, dass Sie in Ihrem Hubschrauber transportiert wird«, sagte Will. »Sie könnten in zehn Minuten vor der Universitätsklinik landen.«
»Das ist kein Rettungshubschrauber, Doktor. Im Cockpit sind nur normale Sitze.«
»Trotzdem besser, als zu warten. Bitte, Mr. Zwick.«
Der Special Agent nickte und lief zum Hub schrauber, um mit dem Piloten zu sprechen.
»Abby?«, flüsterte Karen, deren Augenlider bebten.
»Wir sind alle hier bei dir«, sagte Will.
»Wo ist Abby?« Karen versuchte, sich aufzurichten.
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