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241 - Splitterzeit

241 - Splitterzeit

Titel: 241 - Splitterzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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Ich… Thekona…« Ihr Lächeln brachte ihn fast aus der Fassung. »Matt.«
    Er überlegte kurz, dann machte er eine ausholende Geste und fragte: »Wo? Wo… bin… ich?«
    Ob sie wirklich verstand, was er wollte? »Konoi«, sagte sie, zeigte auf sich und machte dann eine ähnliche Handbewegung wie Matt, womit sie die Umgebung einzuschließen schien. »Konoi.«
    »Nennt ihr euch so? Oder ist das der Name eurer Siedlung?«
    Sie sagte etwas in ihrer eigenen melodischen Sprache, und alles lief aus dem Ruder. Mit gequältem Lächeln musste Matt einsehen, dass den Gebärden Grenzen gesetzt waren – insbesondere, was das Tempo gegenseitigen Begreifens anging.
    Sie trat noch näher, sank auf ihre Knie. Und zum ersten Mal fiel Matt auf, wie erwachsen ihre Augen aussahen. Der Eindruck währte nur einen kurzen Moment, dann strahlte Thekona ihn wieder in jugendlicher Frische an. Dennoch konnte Matt es nicht vergessen. Wie gefangen kreisten seine Gedanken plötzlich nur noch um die Augen der jungen Indianerin.
    Augen, die sich zunehmend intensiver mit ihm beschäftigten. Die ihre Blicke in seine eigenen senkten und –
    Unruhe kam auf. Irgendwo draußen. Geschrei.
    Thekona war mit einem Mal wie verwandelt. Sie reagierte mit katzenhafter Geschmeidigkeit. Matt war kaum in der Lage, ihren Bewegungen, mit denen sie sich erhob und zur Tür eilte, zu folgen.
    »Hey…«
    Sie hörte ihn schon nicht mehr. Und dann war sie verschwunden, während draußen der Lärm anschwoll und nur noch eine Deutung zuließ. Das war nicht einfach nur Aufruhr oder Protest… irgendwo wurde gekämpft.
    Matt hätte sich ein anderes Erwachen gewünscht. Andererseits war er heilfroh, sich überhaupt wieder aus eigener Kraft bewegen zu können.
    Und genau das wollte er ausnutzen.
    Er wischte die Felldecken beiseite und fand sein Gefühl der völligen Nacktheit bestätigt. Nachdem er sich vorsichtig aufgerichtet hatte, ging er zu dem kleinen viereckigen Fenster und spähte ins grelle Sonnenlicht hinaus. Auf der sandigen Ebene unterhalb der schwalbennestartig am Sandstein »hängenden« Pueblos war nichts Auffälliges zu erkennen. Aber der Lärm hatte nicht aufgehört, im Gegenteil. Wenn tatsächlich Kämpfe stattfanden, dann wurden sie bereits inmitten des Gebäudekomplexes ausgefochten.
    Eile war also geboten.
    So schnell er konnte, durchkämmte er den Raum nach seiner Kleidung. Als er sie in einem der großen Tontöpfe fand, auf denen Deckel lagen, rochen seine Klamotten wie frisch gewaschen. Falls dem tatsächlich so war, kam es ihm durchaus gelegen.
    Rasch noch in die Stiefel…
    … und schon war er zur Tür hinaus.
    Und schon nach kurzem Lauf – nun, eher war es ein Humpeln, denn seine geschundenen Knochen und Muskeln waren längst noch nicht wieder fit – erreichte er den Brennpunkt des Geschehens.
    Den Ort, an dem die Gewalt zu eskalieren und ein Blutbad drohte.
    ***
    Dass es blutiger Ernst war, was sich da zwischen den Pueblos, auf deren Dächern und dem sie verbindenden Treppengeläuf abspielte, war schon auf den ersten Blick erkennbar. Ebenso, dass hier zwei grundverschiedene Parteien aufeinander geprallt waren – auf der einen Seite die Anasazi, auf der anderen eine Schar brutalst vorgehender… Gespenster.
    Matt wusste das gute Dutzend feindlicher Krieger nicht zuzuordnen. Es waren ausschließlich Männer, und sie trugen außer einem Lendenschurz nur noch helle Asche, die jeden Zoll sichtbarer Haut bedeckte. Die primitive Schminke verlieh ihnen eine Aura des Jenseitigen – als wären sie der Erde entstiegene Tote, die ein unseliger Zauber neu belebt hatte.
    Daran jedoch glaubte Matt keine Sekunde. Zu planvoll wirkte das, was die Feinde an Waffen bei sich trugen bei ihrem rücksichtslosen Überfall. Auf der anderen Seite benahmen sie sich wie tollwütige Tiere – und wie diese hatten auch sie Schaum vor dem Mund stehen, während in den Pupillen Irrsinn flackerte… oder war es die Lust am Morden?
    Matt schauderte.
    An verschiedenen Stellen lagen bereits Angehörige von Thekonas Stamm. Matt zählte auf die Schnelle mindestens drei, von denen sich zwei nicht mehr rührten. Unter ihnen hatten sich Blutlachen gebildet. Nur der dritte zuckte noch, aber die Art und Weise, wie er es tat, verhieß wenig Gutes. Wahrscheinlich Schädelbruch, dachte Matt. Genau wie bei den anderen, deren Hirnschalen aufgeplatzt sind.
    Matt spürte, wie sich alles in ihm verkrampfte. Er hielt Ausschau nach Thekona, die ihm vorausgeeilt war, fand aber keine Spur von ihr.

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