241 - Splitterzeit
einfaches klares Wasser.«
Das aufgebrachte Gekeife der Alten endete erst, als eine andere Gestalt in den spartanisch eingerichteten Raum trat.
Diesmal gab es für Matt nicht den leisesten Zweifel: Diese gertenschlanke, fast zerbrechlich wirkende junge Frau war es, die ihn nach seinem Sturz durch die Zeitblase gefunden hatte.
In verändertem Tonfall wandte sich die Alte an die mädchenhafte Erscheinung. Auch die junge Frau wies Attribute indianischer Abstammung auf, dabei war sie aber ungewöhnlich blass.
Matt dachte an die Pueblos, die er in der Zeitblase gesehen hatte – und jetzt hatte ihn auch die Erkenntnis eingeholt, woran sie ihn erinnerten. Es war ein Anblick, der lange verschüttete Bilder aus seinem Gedächtnis hervorkehrte. Bilder, die eng verflochten waren mit nahem Wahnsinn, mit schrecklichen Schmerzen und der Angst um Aruula.
Aber konnte es tatsächlich Zusammenhänge zwischen Aruulas damaligem Abstecher in die »Fünfte Welt« der Anasazi und seinem jetzigen Aufenthaltsort geben? [3]
War die Raum-Zeit-Anomalie, die seiner Gefährtin damals in New Mexico den Übergang ermöglicht hatte, mit dem Phänomen verwandt, das ihn hierher versetzt hatte?
Matt hatte das schmerzliche Abenteuer erfolgreich verdrängt gehabt, doch nun war die Erinnerung wieder da, als wäre es erst gestern geschehen. Ein Anasazi hatte ihre Ankunft beim Pueblo von drüben aus beobachtet und Aruula zu sich durch die Zeitblase gelockt – und ihn, Matt, gleichzeitig in den Wahnsinn zu treiben versucht. Matt hatte gegraben, tagelang, ohne Rast, beseelt von der Gier nach einem nicht existenten Schatz. Nur Aruula, die sich in der anderen Zeitepoche – denn eine solche musste die »Fünfte Welt« nach seinen jetzigen Erkenntnissen gewesen sein – von dem liebestollen Anasazi losgemacht und zu ihrem Gefährten zurückgekehrt war, hatte ihn damals gerettet.
Auch diesmal war er von seiner Begleitung getrennt worden – aber statt Aruula handelte es sich um Arthur Crow, und Matt Drax war nicht unfroh über diesen Umstand. Denn er musste sich keine Sorgen darüber machen, dass es Crow gelingen würde, den Flächenräumer unter seine Kontrolle zu bringen. Der General war kurz vor seiner Flucht unter die Kontrolle des Koordinators geraten, eines bionetischen Computers, der über die Jahrtausende offenbar ein Eigenbewusstsein entwickelt hatte.
Die Stimme des Mädchens, das erstmals etwas auf den Wortschwall der Greisin erwiderte, riss Matt aus seinen Gedanken. Noch immer haftete sein Blick an ihr.
Wie alt mochte sie sein? Sechzehn, siebzehn? Er wusste, dass er sich täuschen konnte. Kulturen prägten ihre Menschen. In manchen reiften sie schneller, in anderen langsamer. Wie es sich bei den Anasazi verhielt – falls er Anasazi vor sich hatte –, wusste er nicht. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht. Vielleicht war das Mädchen älter, vielleicht auch jünger. Letztlich war dies aber von untergeordneter Bedeutung. Was sie auszeichnete, war das Durchsetzungsvermögen, an dem es Matt zumindest der Alten gegenüber mangelte.
Nach kurzem Wortwechsel entfernte sich die Greisin, ohne Matt auch nur noch eines Blickes zu würdigen.
Mit einem Lächeln, das jedes Eis gebrochen hätte, trat das Mädchen an Matts Liegestatt heran. Und wieder wurde ihm bewusst, dass er unter den zwei, drei übereinander liegenden Felldecken splitterfasernackt war. Im Beisein der Alten hatte ihn das weit weniger gestört als unter den Augen des Mädchens.
Sie war ausnehmend hübsch. Die Blässe stand ihr gut, sie brachte die nachtschwarzen Augen und das ebenfalls dunkle Haar noch besser zur Geltung, als es jede Bräune vermocht hätte.
»Jor ran te mag?«
Er wünschte, er hätte sie wenigstens ein bisschen verstanden. Schon der reine Klang ihrer Stimme wäre es wert gewesen, die Bedeutung der darin schwingenden Worte zu begreifen. Doch auch ihr gegenüber musste sich Matt auf Gesten beschränken, von denen er hoffte, dass sie eine wenigstens grobe Kommunikation ermöglichen würden.
Er schüttelte verneinend den Kopf. Dann hob er beide Hände, spreizte sie und tippte sich damit auf die Brust. »Ich… Matt.« Nach einer Pause senkte er die Linke und zeigte mit der Rechten auf das Mädchen. »Du…?«
Keine Reaktion. Obwohl… da war ein feines Lächeln, das ihre Augen umspielte, als amüsierte sie sich über ihn.
Matt versuchte es zu ignorieren. Er wiederholte seine Vorstellung. Einmal, zweimal.
Endlich erlöste das Mädchen ihn. »Thekona.
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