2410 - Der Kontaktwald
Für einen Augenblick waren sie vor die Wahl gestellt gewesen, sich den Traitanks erneut zu stellen und es mit einer Übermacht aufzunehmen oder sich mehr oder weniger einer unbekannten Quelle anzuvertrauen, die alles Mögliche sein konnte – nur kein Freund der Terminalen Kolonne TRAITOR.
Der ehemalige arkonidische Kristallprinz und Schlachtenführer war nie als Zauderer bekannt gewesen.
Schon bevor er sich mit seinen wichtigsten Beratern besprochen hatte, hatte sein Entschluss festgestanden.
Er ging volles Risiko ein, wie immer.
Er war hierhergekommen, um Munition gegen die Kolonne zu suchen, die die Lokale Gruppe mit Traitanks, Fabriken, Forts und wer weiß was erstickte. Wer gegen TRAITOR war, war für ihn. So einfach war die Gleichung.
Man könnte natürlich auch sagen, meldete sich sein Extrasinn, du habest euch den Unbekannten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Er verzog in einem Anflug von Lächeln die Lippen, während sein Blick an den Holos klebte. Natürlich wusste er das. Die Zweifel des Logiksektors waren immer auch seine eigenen. Er betrachtete sie nicht als Schwäche, sondern im Gegenteil als den Luxus, den sich der Starke leisten konnte.
Wahrscheinlich würde er selbst dann noch zweifeln, wenn er eines fernen Tages seinen letzten Atemzug tat.
Vielleicht in einer Million von Jahren, vielleicht aber auch schon morgen – oder in der nächsten Minute. Sein Aktivatorchip verlieh ihm die biologische Unsterblichkeit, half allerdings nicht gegen einen Schuss aus dem Hinterhalt.
Oder aus dem einer überlegenen Schiffskanone ...
Die beiden Objekte drosselten ihre Geschwindigkeit. Dass es Raumschiffe waren, stand inzwischen außer Frage.
Um welchen Typ es sich dabei handelte, blieb allerdings weiterhin offen.
Die RICHARD BURTON und die anderen Schiffe aus der Milchstraße würden sich an den Koordinaten mit ihnen treffen, die sie in einem letzten Peilsignal vorgegeben hatten. Es gab keine anderen Ortungen. Es hätte sie selbst dann nicht gegeben, wenn sich tausend andere Schiffe in der Nähe aufgehalten hätten. Die energetische Hölle der Sonne verschluckte alles.
Die Gluten von Enudir Omage loderten und flammten um die Eindringlinge, viele tausend Grad heiß. Nur ihre Paratronschirme schützten sie davor, wie undurchdringliche Blasen, in denen sie in einem absolut lebensfeindlichen Element schwammen.
Wenn die Schirmfelder versagten, würde kein Besatzungsmitglied mehr die Zeit haben, über seine Sünden nachzudenken.
Die BURTON verlangsamte ihren Flug.
Jemand richtete eine Frage an Atlan. Er antwortete geistesabwesend.
Es war nicht wichtig. Alles Nötige war gesagt. Den Rest erledigten die Positroniken.
Atlan hielt den Atem an.
Die Distanz zwischen den Galaktikern und den Unbekannten schrumpfte mehr und mehr. Sie näherten sich an, hatten den Rendezvouspunkt beide fast so gut wie erreicht. Und immer noch sah er nur zwei wabernde energetische Felder, farbige Eindrücke vor tobenden Wirbeln der Sonnenatmosphäre.
Dann aber waren sie da.
Der Arkonide stand auf. Neben sich sah er die Offiziere des Flaggschiffs. Dr. Indica, die Frau, die ihn verwirrte, und Domo Sokrat, das halutische Erzgestein. Jeder starrte gebannt auf die Holos und Schirme. Niemand redete.
Die beiden energetischen Felder kamen zum Stillstand, exakt acht Kilometer vor der RICHARD BURTON, die nun ebenfalls fahrtlos in der Chromosphäre stand.
„Sie machen es spannend", hörte der Aktivatorträger von irgendwoher. Er nickte.
Er hoffte inständig, keiner falschen Hoffnung aufgesessen zu sein, die letztlich aus ihren eigenen Wünschen geboren war.
Aber was wäre die Alternative gewesen?
Wir brauchen Verbündete!, dachte der Arkonide.
Er nickte grimmig. Und wir werden sie finden!
Und dann fielen die Schleier, als hätten seine Gedanken sie fortgerissen.
*
Trimarane!
Atlan ballte in stillem Triumph die Hände. Ja, er hatte es gewusst!
Die Frage, ob es sich bei den unbekannten Anrufern um potenzielle Verbündete gegen die Terminale Kolonne handeln mochte, hatte ESCHER mit einer Wahrscheinlichkeit von 83 Prozent bejaht. Die Basis seiner Überlegungen war einfach: Wer sich vor den Traitanks versteckte, konnte nicht deren Freund sein.
Es sei denn, dass die Kolonne mit genau dieser Überlegung rechnete und eine Falle stellte. Allerdings für wen?
ESCHER hatte noch weitere Hochrechnungen geliefert: etwa, dass es sich bei den potenziellen Kampfgenossen zu 57 Prozent um Bewohner der Galaxis Hangay handelte,
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