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2411 - Schwinge-von-Raffat

Titel: 2411 - Schwinge-von-Raffat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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befreien. Wir saßen fest, in unserem selbst geschaffenen Gefängnis, achtzehntausend Piraten.
    Achtzehntausend aggressive, verzweifelte Mistkerle.
     
    *
     
    Die ersten Wochen- und Monatszyklen gelang es Wa-Gon-Bloi dank seiner Autorität, die Situation unter Kontrolle zu halten.
    Außerdem flackerte noch ein Flämmchen der Hoffnung, die Veränderungen der Raum-Zeit-Struktur in Segarenis wären nur vorübergehende. Irgendwann würden die alten Bedingungen wiederkehren und mit ihnen die Schiffe der Khif Chimanga.
    Doch dem war nicht so. Und allmählich wurden die Vorräte knapper.
    Wir hatten zwar anständig vorgesorgt.
    Für den denkbaren Fall einer lang dauernden Belagerung waren massenhaft Lebensmittel in konzentrierter Form eingebunkert. Überdies hatte Wa-Gon schon bald damit begonnen, die Eigenversorgung ausbauen zu lassen.
    In den Röhrentunneln züchteten wir mit hydroponischen Anlagen Getreide, Gemüse und Obst. In frei geräumten Lagerhallen hielten wir Nutzvieh. Sogar eigenes Bier brauten wir, Most wurde vergoren, Wein gekeltert und aus diversen Rückständen Schnaps gebrannt.
    Es ließ sich absehen, dass wir es schaffen würden, autark zu überleben – allerdings unter großen Abstrichen im Vergleich zur früheren, für selbstverständlich gehaltenen Völlerei.
    Waren die noch aus der frohen Freibeuterzeit stammenden Lagerbestände erst einmal geplündert, würde Schmalhans Küchenmeister sein. Denn es kam keine Beute mehr nach, um damit die leeren Vorratskammern wieder aufzufüllen.
    All die Schätze, die wir angehäuft hatten, die geraubten Geschmeide, die hohen erpressten Geldsummen: Sie nützten uns nichts, rein gar nichts. Wir waren ja nunmehr von sämtlichen Hehlern und Lieferanten abgeschnitten.
    Langsam sickerte die Erkenntnis ein, dass dies wohl für längere Zeit, wenn nicht für immer so fortdauern würde.
    Und unsere Leute, achtzehntausend verwöhnte Schlemmer und Prasser, begannen zu murren.
     
    *
     
    Der auserwählte Erlöser, der die Auswahl an Genussmitteln stark einschränken musste und seine reichen Erlöse nicht in Speis und Trank verwandeln konnte, bat mich um Rat.
    „Kerseluuf", sagte er, sich wie so oft die Schläfen massierend, „es ist nicht mehr damit getan, die Vergangenheit zu schönen.
    Du musst jetzt auch die Gegenwart verbessern, indem du sie mit deinem ganzen Geschick umdeutest. Sonst haben wir alle, uns beide eingeschlossen, bald keine Zukunft mehr. Hast du mich verstanden?"
    Die Herausforderung sehen und annehmen war eins. Wer wäre berufener, eine neue Gesellschaft zu formen, als ein Chronist meines Schlages?
    Ich ging in mich und erkannte, dass verschärfte Lebensumstände eine verschärfte Gangart bedingten. Bislang war die Khif Chimanga mit einer recht flachen Hierarchie ausgekommen.
    Ganz oben stand Wa-Gon-Bloi, klar, und das sollte auch so bleiben. Keiner seiner beiden Vizes zeigte ein ähnlich gutes Gespür für die Wichtigkeit und Unersetzlichkeit mancher Expertenstellen, beispielsweise meiner.
    Darunter gab es eine Rangordnung gemäß den Dienstposten an Bord der Raumschiffe. Jedoch wurde diese nie streng militärisch durchexerziert, sondern eher lose interpretiert, und sie war innerhalb der Schwingevon-Raffat im Lauf der Jahrzehnte noch zusätzlich verwässert worden.
    Bereichssprecher hießen weiterhin „Obermaat" oder „Rudergänger", doch sie wurden teilweise sogar demokratisch gewählt. Dies entsprach dem Selbstverständnis der Freibeuter, die sich immer schon gern als wilder, verwegener, aber auch verschworener Haufen im Prinzip Gleichwertiger gesehen hatten.
    So etwas funktioniert, solange genug für alle da ist. In Zeiten des Mangels jedoch muss man davon abkommen, einfach die vorhandenen Ressourcen ausgewogen zu verteilen. Wenn es achtzehntausend Leuten gleich schlecht geht, ist damit letztendlich niemandem geholfen.
    Weg von der Illusion, die Gemeinschaft könne für alle sorgen, hieß die Devise.
    Stattdessen setzte ich auf „Privatisierung".
     
    *
     
    Um eine Ausgangsbasis zu schaffen, ließen Wa-Gon-Bloi und ich eine Lotterie veranstalten.
    Das kam prinzipiell schon einmal gut an. Die Abwechslung wurde begrüßt, und es bot sich für jeden die Chance, seine individuelle Lage zu verbessern.
    Dass im Gegenzug manche, ja sogar deutlich mehr Personen, zu den Verlierern zählen würden, darum machten wir kein großes Aufheben. Wir verließen uns darauf, dass diese Kehrseite der Medaille nur zu gern ignoriert wurde, wie immer und überall in

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