2411 - Schwinge-von-Raffat
benachbarten Sonnen enden würde – egal, ob die Etappe über einen Lichtmonat oder ein Lichtjahr geplant war. Ein Sprung ins Innere des Koh-Raffat-Systems führte sogar so gut wie sicher zum Untergang in der Sonne.
Was nun?
*
„Du weißt", sagte Atlan zu Trim Marath, „dass ich dich nie zu einem solchen Experiment drängen würde. Aber hieltest du es für sinnvoll, nochmals die Bildung eines Parablocks mit Major Karsmaq zu versuchen?"
„Nein", antwortete der Monochrom-Mutant klipp und klar. Er hatte keinen Augenblick überlegt. „Nicht zum gegebenen Zeitpunkt. Ich würde gern behilflich sein, aber wir sind noch lange nicht so weit."
„Verstehe."
„Und allein, ohne Rückendeckung durch einen Duo-Block, traue ich weder Uluth noch mir zu, es mit dem Tohuwabohu da draußen aufzunehmen. Wir sind beide genug damit beschäftigt, uns mental davon abzugrenzen."
Atlan nickte. „Laurence?"
Sie hatten sich im Konferenzraum der Expeditionsleitung versammelt, der zum Bereich Operationsplanung auf dem Galerie-Level der Hauptleitzentrale gehörte.
Ausnahmsweise war Savoire leibhaftig anwesend und nicht bloß als Holo.
„ESCHER macht nach wie vor keine genauen Angaben", sagte der Erste Kybernetiker. „Die Hyperdim-Matrix rechnet jedenfalls auf Hochtouren."
Er verzog das bleiche, ohnehin schief wirkende Gesicht. „Nagelt mich nicht darauf fest, aber ich würde aufgrund gewisser, äh, Symptome schätzen, dass ESCHER nochmals etwa zwei Tage benötigen wird, bis die Treffsicherheit der Prognosen eventuell optimiert werden kann."
Mehrere Personen in der Runde seufzten demonstrativ. Atlan konnte es ihnen nicht verdenken. Da galt die Parapositronik als Nonplusultra der Rechner-Technologie, buchstäblich unvorstellbar hoch über herkömmlichen Hyperinpotroniken stehend – und dann brauchte sie Tage für ihre Kalkulationen!
Weil diese eben so ungeheuer komplex sind, Narr!, warf Atlans Logiksektor ein. ESCHER ist keine Zauberkiste, bloß der kurzsichtige, astigmatische Einäugige unter lauter vollkommen Blinden.
Savoire zuckte entschuldigend die Achseln. „Wohlgemerkt, die Betonung liegt auf ›eventuell‹. Vielleicht kommt auch gar nichts Neues dabei heraus."
Er wirkte abgespannt und erschreckend alt. Dabei war er noch nicht ganz
52.
Allerdings betrug die durchschnittliche Lebenserwartung der Diakater nicht, wie im vierzehnten Jahrhundert NGZ bei Terranern und den meisten ihrer Abkömmlinge üblich, zweihundert Jahre, sondern bloß achtzig. Laurence Savoire stand sichtlich in der zweiten Hälfte seines Lebens.
Indica, die rechts von ihm saß, räusperte sich in ihrer charakteristischen Weise: „H- (lange Pause) -hm." Das Geräusch kannte Atlan mittlerweile gut, und er ertappte sich dabei, dass er die kleine Marotte der Nexialistin mochte.
Ein Hüsteln? Du findest ein Hüsteln anziehend?, ätzte der Extrasinn. Meine Güte! Da tanzen die Hormone aber mächtig Tango.
„Seit dem Rücksturz hatten wir Dutzende Kolonnen-Einheiten in Reichweite unserer Passiv-Orter", sagte Indica. „Wenngleich wir nicht sicher sein können, ob sie sich auch wirklich dort befinden, wo wir sie orten."
Ihre langen, schlanken Finger klopften auf die Oberseite des neben ihr schwebenden, fassförmigen, einen halben Meter hohen Roboters, der selten von Indicas Seite wich und ihr momentan als Beistelltisch diente. Sie hatte Deco-2 persönlich konstruiert und mit einer Bioplasma-Komponente ausgestattet, deren Herkunft sie partout nicht verraten wollte.
Der älteste Trick im Buch – gib dich unergründlich, dann stehen die Kerle in Habachtstellung.
„Ausnahmslos alle TRAITOR-Schiffe", setzte die Nexialistin fort, „erhalten kurz vor dem Einflug ins Koh-Raffat-System nochmals Kursanweisungen über den Raum-Zeit-Router gRIX-1199. Ganz so wie im Grenzwall."
„Sie haben also ähnliche Schwierigkeiten wie wir, sich aus eigener Kraft zu orientieren", folgerte Atlan. „Womit hoffentlich auch die Gefahr einer zufälligen Entdeckung der BURTON relativ gering ist."
Zumal Traitanks und Kolonnen-Transporter, wie man schon aus der Milchstraße wusste, nicht über Ortungsanlagen verfügten, die den Kantorschen Ultra-Messwerken vergleichbar waren.
„Mein Planhirn", meldete sich Domo Sokrat zu Wort, „veranschlagt die Wahrscheinlichkeit für sehr gering, dass uns ESCHER ins System der roten Riesensonne bringen kann. Doktor Indica, teilen Sie diese Einschätzung, sozusagen aus dem Bauch heraus?"
„Ohne meine bescheidene
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