2416 - Mythos Scherbenstadt
verlassen.
Nur beiläufig hörte sie Fee Kellinds Befehle und die Meldungen des Orteroffiziers und Piloten.
Dann endlich kam die erlösende Nachricht: „Im Hypertakt! Wir sind entkommen."
Siri schaute Dao-Lin-H’ay mit großen Augen an. „Das Unternehmen Sonnenlicht-Stationen muss wohl als beendet und gescheitert angesehen werden. Das heißt, du wirst uns nun verlassen?"
Es berührte die Kartanin, dass Siri ihre Ankündigung nicht vergessen hatte und sogar in einem solchen Augenblick der Lebensgefahr daran dachte. Vielleicht würde sie auf der SOL entgegen ihrer Erwartung doch Unterstützung finden.
„Abwarten", sagte sie deshalb.
*
„Ein Versuch", räumte Tekener ein. „Ein paar Tage, mehr nicht."
Diesmal hatten sie sich nicht in seiner Privatkabine getroffen, sondern an einem merklich neutraleren Ort – einem kleinen Besprechungsraum nahe der Hauptzentrale.
Die Wände waren so weiß, dass sie beinahe zu leuchten schienen, ein leeres metallenes Regal war neben der Tür befestigt. Außer einem Konferenztisch, um den fünf Stühle gruppiert waren, gab es keine weiteren Einrichtungsgegenstände. Ein ebenso nüchterner wie neutraler Besprechungsraum.
Eifer packte Dao-Lin-H’ay. „Wir werden unsere Erkenntnisse über TRAITOR und die entstehende Negasphäre weitergeben, um diverse Regierungen, Geheimdienste und Flottenkommandos zu informieren. Ich kenne einige mögliche Ansatzpunkte."
„Nicht nur du." Tekeners Hände verkrampften sich um die Tischkante. „Ich mache dir nur der alten Zeiten wegen dieses Zugeständnis und weil ..."
„... es nichts anderes gibt, was die SOL unternehmen könnte?" Dao-Lin-H’ay erhob sich. „Ich danke dir für dein gnädiges Entgegenkommen."
Tekener wies auf ihren Stuhl. „Setz dich! Unsere Besprechung ist noch nicht zu Ende, und ich habe es satt, dass du meinst, du könntest immer gehen, wenn es dir zu ungemütlich wird."
Nach dieser barschen Anklage breitete sich Schweigen aus, das nur vom Quietschen der Stuhlbeine auf dem Boden durchbrochen wurde, als die Felidin der Aufforderung folgte.
„Wir müssen von unten anfangen Widerstand aufzubauen", stellte sie schließlich zum ungezählten Mal ihre Auffassung dar. „Je breiter die Basis, desto wirksamer der Widerstand."
„Genau da bin ich skeptisch, meine Liebe. Wir kennen Hangay, und du weißt so gut wie ich, dass die meusten Völker keine wirksame Zusammenarbeit betreiben können oder wollen. Meiner Meinung nach müssen wir auf eigene Faust agieren. Unsere Aufgabe an Bord der SOL ist nicht der Widerstand. Wir müssen TRAITORS Geheimnisse lüften.
Wenn wir die Natur dieser Proto-Negasphäre erfassen, haben wir unser Ziel erreicht. Wissen ist die eigentliche Waffe in diesen Tagen. Selbst die versammelte militärische Macht Hangays stellt gegen die Terminale Kolonne nicht mehr als einen dreckigen Fliegenschiss dar!"
Dao-Lin-H’ays Gesichtsfell sträubte sich. „Es ist nicht nötig, ausfällig zu werden. Du hast mir einige Tage zugestanden, um zu beweisen, dass sich in Hangay etwas bewegen lässt. Wenn diese Frist vorüber ist, wirst du mir entweder recht geben, oder ich werde die Konsequenzen ziehen und die SOL verlassen."
„Das ist alles?", fragte Tekener. „Du ziehst nicht einmal in Betracht, dass auch du deine Meinung ändern könntest?"
Sie hielt es nicht für nötig, darauf zu antworten. „Warum kannst du den Gedanken nicht ertragen, dass ich gehen werde?"
„Fee Kellind sagte es dir bereits. Als Aktivatorträgerin bist du für die SOL zu wertvoll. Wir können nicht auf dich verzichten."
„Nur leider haben das weder die Kommandantin noch du zu bestimmen. Es gibt Momente, da verstehe ich, warum die Mom’Serimer Revolutionsgedanken entwickeln. Es ist nicht schön, wenn andere glauben, über alles bestimmen zu können."
Da Tekener schwieg, ergänzte sie: „Und da wir gerade ehrlich zueinander sind, Tek – willst du mich vielleicht deshalb nicht gehen lassen, um zu vermeiden, mich endgültig zu verlieren? Sag mir eins – warum höre ich gerade dieses Argument so oft, wo ich auch hinkomme? Dao-Lin-H’ay will uns im Stich lassen, munkelt man überall, und dabei ist sie eine Aktivatorträgerin. Was ist das nur für ein Gerede? Wieso klagt man mich deswegen an?"
Sie beugte sich vor, stützte die Hände auf die Tischplatte und bemerkte nur beiläufig, dass ihre Krallen darüber kratzten. „Soll ich dir die Frage nennen, die ich mir schon seit Tagen stelle? Warum, Tek, diskreditierst du
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