2416 - Mythos Scherbenstadt
Recht war.
Die SOL, unsere Welt, kann ohne uns nicht existieren. Ohne uns wäre sie untergegangen.
Nur wir Mom’Serimer haben all die anderen gerettet. Niemand kann das leugnen, und niemand will das leugnen.
Nun trete ich bescheiden wieder in den Hintergrund.
Die Dinge werden ihren Weg gehen.
Die Kommandantin des Schiffes trifft sich mit Ronald Tekener und unserer Freundin Dao-Lin-H’ay. Ich weiß, was sie beschließen werden.
Wir Mom’Serimer werden mehr Rechte erhalten. Sie haben eingesehen, dass es ohne uns nicht geht.
Die Stimmung ist umgeschlagen.
Wir werden in die technischen und alltäglichen Abläufe mit einbezogen werden. Sie wollen mehr aus uns machen als Gäste, weil sie endlich sehen, dass sie uns brauchen.
Oder sieht es in Wahrheit andersherum aus?
Sind nicht wir diejenigen, die über unsere Welt bestimmen, brauchen aber die anderen Besatzungsmitglieder? Dulden und akzeptieren sie uns – oder wir sie?
11.
Vergangenheit: Abschied
„Die Abstimmung endete mit einer klaren Mehrheit", sagte Dao-Lin-H’ay zu Siri Solabas. „Man wird eine Möglichkeit suchen, euch in das Geschehen an Bord organisatorisch und vor allem juristisch einzubinden. Ihr werdet die Rechte bekommen, die ihr schon immer wolltet."
„Die Zeran wollte", verbesserte Siri und stöhnte.
„Geht es dir noch immer nicht gut?"
„Die Nachwirkungen der Phänomene sind längst abgeklungen. In mir geht etwas ganz anderes vor. Ich wechsle wieder das Geschlecht. Ich werde wieder männlich."
„Ich gratuliere dir. Dazu und weil ich weiß, dass du deinen Weg gehen wirst.
Du hast Großes geleistet, als die SOL vor dem Untergang stand."
„Ohne dich wäre es nicht möglich gewesen", behauptete Siri. „Deine Worte haben mir Mut gegeben."
Die Kartanin musterte ihn ein letztes Mal. Wahrscheinlich würde sie ihn nie wiedersehen.
Ihre Entscheidung stand endgültig fest. Sie hatte Siri auf dem Weg zu Teks Privatkabine getroffen. Dort würde sie ihren ehemaligen Gefährten zur Rede stellen, ihm ihre Entscheidung mitteilen.
Sie verabschiedete sich von Siri Solabas, dessen rechter Tentakel nun wieder dominierte. Ehe sie ging, tauchte unvermutet Zeran Tronale auf, und erst als sie sich am nächsten Tag an diese Szene erinnerte, fiel Dao-Lin-H’ay auf, dass Zeran wieder weiblich geworden war.
„Trennen wir uns einigermaßen im Guten", sagte sie später zu Ronald Tekener. „Ehe es endgültig zu offenem Streit kommt."
Tek sah traurig aus. „In einem Hangar steht deine Reisemöglichkeit bereit. Auf Wiedersehen, Dao-Lin-H’ay."
„Das ist alles?"
„Es gibt nichts mehr zu sagen. Wir hatten schwere Zeiten, aber auch gute Zeiten, selbst wenn sie lange vorbei sind.
Unsere Ziele lassen sich nicht mehr vereinen. Geh und kämpfe auf deine Weise für diese Galaxis."
12.
Atlan: Schönwetterfront
„Ich ging in diesen Hangar", sagte Dao-Lin-H’ay, „und erwartete ein klappriges Beiboot, so, wie Tek mich in den zurückliegenden Wochen behandelt hatte. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Er hatte mir die Hypertakt-Solonium-Space-Jet X-1 zur Verfügung gestellt und mir damit alle Mobilität geschenkt, die nur möglich war."
Ich spürte den Drang, meinen alten Freund Ronald Tekener zu verteidigen, verkniff es mir aber. Ich fühlte mich nicht dazu berufen, den Schlichter zu spielen. Stattdessen gab ich der Kartanin die Gelegenheit, ihren Bericht zu Ende zu bringen.
„Ich verließ die SOL am selben Tag und fand an Bord der Space-Jet alles, was ich mir nur wünschen konnte. Tek hat am Ende echte Größe bewiesen."
„Du hast wirklich an ihm gezweifelt", sagte ich und versuchte, nicht vorwurfsvoll zu klingen. Die Geschichte, wie die beiden einst Liebenden sich erst entfremdet und dann entzweit hatten, belastete mich stärker, als ich zuzugeben bereit war. Ich räusperte mich. „Hast du danach je wieder von der SOL gehört?"
Dao-Lin-H’ay verneinte.
Also lag es an mir, ihr eine bittere Wahrheit nahezubringen. Ich berichtete von der Sichtung der SOL bei Koh-Raffat und davon, dass das Schiff inzwischen ganz offensichtlich als Einheit der Terminalen Kolonne agierte.
Die Kartanin reagierte entsetzt. „Die SOL wurde von TRAITOR gekapert?
Was wurde aus der Besatzung?"
„Darauf kann ich keine Antwort geben. Uns liegen nur die Bilder von Koh-Raffat vor."
Dao-Lin-H’ay senkte den Kopf. „Tek, die Mom’Serimer, Fee Kellind, all die anderen ... ob sie noch am Leben sind?"
„Wir werden es herausfinden."
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