243 - Das namenlose Grauen
Sitzung. Wir treffen uns noch vor Sonnenaufgang am Südtor.« Sie wandte sich an General Garrett. »Genügt die Zeit, um alles bereitzustellen, was wir brauchen werden?«
Der General nickte. »Kein Problem. Ich setze gleich meine Spezialisten dran.«
Als alle anderen den Raum verlassen hatten, blieben nur noch Alexandra Cross und Mr. Black zurück. Die Präsidentin sah dem Hohen Richter die Erschöpfung an. Black brauchte dringend eine Auszeit.
Sie zögerte, das Wort an ihn zu richten.
»Es geht Ihnen nicht gut, habe ich recht?«
»Das Verschwinden von Mr. Hacker geht mir nah«, räumte Mr. Black ein. »Ich habe das Gefühl…« Er stockte.
»Was bedrückt Sie?«
Black wandte sich von ihr ab. »Ich habe ihn in den Tod geschickt, Alexandra. Meinetwegen musste Collyn Hacker sterben.«
***
Appalachen, im Dschungel
Der Mond stand sichelförmig über der Lichtung. Das Brüllen des Biotiefs klang gedämpft durch die Nacht. Die Spritzbäume und die gelben mit Kugeln übersäten Flaum-Pflanzen schimmerten gräulich im blassen Licht.
Der wie poliert wirkende, grünschwarze Hügel öffnete sich. Langsam brach er an der Spitze auseinander. Ein Krater bildete sich, aus dem in krampfhaften, wellenförmigen Bewegungen ein schwerer Körper eruptierte. Das Ding hatte ihn als unverdaulich eingestuft, nachdem es Stunden lang versucht hatte, ihn endgültig in sich aufzunehmen.
Shiros neue Lackierung war zum Teil weggeätzt, doch das Plysterox hatte standgehalten. Nun rutschte er den Hügel hinab und rollte noch ein paar Meter weiter ins Unterholz.
Ihm folgten ein Kurzschwert, Panzerungsteile und mehrere Knochen, die durch die Masse hindurch gedrückt wurden. Die Reste der Mahlzeit. Das war gute Nahrung gewesen. Sättigend.
Das Ding ohne Namen verharrte zitternd. Seine Oberflächenrezeptoren nahmen die kühle Nachtluft wahr, registrierten die veränderte, sauerstoffreiche Atmosphäre.
Die Wesen, die es angegriffen hatten, waren fort. Wohlschmeckende Wesen. Es spürte neuen Hunger. Jahrzehnte lang hatte es nicht fressen können. Es hatte einiges nachzuholen.
Das Ding ohne Namen setzte sich im Mondlicht in Bewegung. Fand eine Öffnung aus seinem Gefängnis. Eine Öffnung, die vorher noch nicht da gewesen war.
Lautlos glitt das Ding auf die breite Schneise zu, die die fremden Wesen in den Dschungel hinein geschnitten hatten. Es machte sich keine Gedanken darüber, warum sie es getan hatten und wer sie waren. Es folgte seinem Instinkt. Dem Hunger. Und dem Drang nach Freiheit.
Nach einer halben Stunde erreichte es die Baumgrenze. Der Dschungel endete hier und stieß auf ein karges, mit Findlingen übersätes Bergland.
Das Ding glitt unbeirrt weiter. Es sehnte sich nach Feuchte. Kühle. Außerhalb des Dschungels war das Gebiet trocken, und es war gefährlich, ganz ohne Wasser zu sein.
Doch der Hunger war stärker. Seine Rezeptoren analysierten die Gerüche dieser sonderbaren Welt aus Staub und Stein. Entfernt konnte es die Wesen riechen, die heute hier gewesen waren. Hunderte von ihnen. Sie mussten in einem großen Verbund leben.
Das Wesen setzte seinen Weg in die Richtung fort, in der es verheißungsvoll nach Nahrung roch. Unbeirrbar glitt es vorwärts, schob sich zwischen den Felsen hindurch. Die Sonne ging auf und brannte erbarmungslos auf es herab, doch es kroch weiter.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde der Geruch der fremden Wesen von einem anderen, verlockenderen überlagert: dem Duft nach Wasser! Das Wesen orientierte sich neu. Da war ein kleiner See, nicht weit von ihm. Das Ding glitt darauf zu und tauchte in seiner wohligen Nässe ein. Es tat gut, sich frei bewegen zu können. Der Ring seiner Gefangenschaft war endlich gesprengt, und bald schon würde es ausgiebig fressen können.
Es lag noch nicht lange, da spürte es Erschütterungen im Boden, die sich durch das Wasser fortpflanzten. Andere Wesen kamen! Viele…
***
Auf halbem Weg in die Appalachen
»Anhalten!« Noch bevor sein Befehl verklungen war und die Kolonne aus Fahrzeugen auf dem breiten Serpentinenweg zum Stehen kam, sprang Miki Takeo bereits vom vordersten Nixonpanzer und eilte mit stampfenden Schritten zu einem Felsüberhang.
General Garrett hatte alle Mühe, zu ihm aufzuschließen. Atemlos kam er bei dem Androiden an. »Was ist los, Takeo?«
»Ich habe eine Bewegung geortet, das will ich überprüfen. Von hier aus müsste man die Stelle gut einsehen können.« Der Androide starrte ins Land hinab.
Garrett hob sein Binokular und stellte
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