2436 - Die Teletrans-Weiche
Erleichterung.
Das weckte nur Erinnerungen an Celkar, die er am liebsten vergessen hätte.
Und er war Aktivatorträger! Wie musste sich erst ein Normalsterblicher fühlen, dessen Körperfunktionen nicht von einem kleinen Wunderwerk unterhalb des Schlüsselbeins unterstützt wurden?
Die Atemnot und das Herzrasen hielten weiterhin an. Reginald Bull hatte jedes Zeitgefühl verloren, als der Angriff der Traitanks plötzlich so abrupt endete, wie er begonnen hatte.
Der Verteidigungsminister sog Luft in die Lungen, kostete die herrliche Erleichterung aus, spürte, dass er in Schweiß gebadet war, schüttelte sich wie ein nasser Hund auf seinem Sitz, öffnete die Augen oder vermochte zumindest – falls er sie nicht die gesamte Zeit über weit aufgerissen hatte – wieder etwas zu sehen.
Sein Blick fiel auf einen Holokubus, auf dem die Trivid-Kameras einen Ausschnitt hochgezoomt hatten, auf dem sein schwitzendes rotes Gesicht zu sehen war.
Das eines Menschen in der Menge.
In typisch medialer Überhöhung: eines Helden. Nicht gerade zufälligerweise das Reginald Bulls, Verteidigungsminister der Liga Freier Terraner.
„Begreifst du jetzt, weshalb ich das hasse?", flüsterte er Fran zu und griff nach ihrer Hand.
*
Terrania schien noch immer in Aufruhr zu sein, als Bulls Gleiter über die Stadt raste, zurück zur Solaren Residenz. Medogleiter transportierten Opfer des Einsatzes nach der Erstversorgung durch Roboter zu Krankenhäusern, in denen sie behandelt werden würden, Ordnungskräfte kümmerten sich um Bürger, die in Panik geraten waren.
Was tut TRAITOR uns an?, dachte Bull. Aber es gab keine Alternative zu den TANKSTELLEN, sollte das Solsystem nicht untergehen, die Menschheit versklavt oder ausgelöscht werden. Nicht, solange dem Nukleus keine anderweitigen Kräfte zuwuchsen.
Eigentlich hätte jeder abgewehrte Angriff der Terminalen Kolonne Grund zur Erleichterung geben sollen, doch die Zermürbungstaktik zeigte Erfolg. Bull rang noch immer um seine Fassung, war nicht fähig, Fran mehr Trost und Zuversicht zu geben, als ein stummer Händedruck es vermochte.
Wir haben einen Sieg errungen!, mahnte er sich. Nach Monaten der Belagerung durch die Terminale Kolonne war das Solsystem noch immer nicht gefallen! Ganz im Gegenteil, der Nukleus der Monochrom-Mutanten auf Isla Bartolomé wuchs und gewann an Kraft. In welchem Maß, war allerdings nicht messbar und nicht eindeutig ersichtlich.
Dennoch: Ohne die TANKSTELLEN wäre der Kristallschirm schon längst zusammengebrochen. Fakt war jedenfalls, dass er immer seltener Unterstützung durch die Kräfte des Nukleus benötigte. Insgesamt 112 LORETTA-Tender hielten ihn aufrecht, sukzessive mithilfe von Salkrit und HS-Howalgonium aufgerüstet.
Sicherheit durch Redundanz, lautete das Prinzip. Und der TERRANOVA-Globus, die Vereinigung sämtlicher Terraner, die am Dienst in den TANKSTELLEN teilnahmen – nicht zu vergessen deren Sympathisanten! –, leistete als Organisation hervorragende Arbeit.
Schiere Freude darüber mochte sich bei Bull jedoch nicht einstellen.
Denn es gab eine öffentlich wenig bekannte Schattenseite. Zahlreiche Menschen erlagen unter dem Kristallschirm einer dauerhaften klaustrophobischen Panik, immer mehr erkrankten mit eindeutig feststellbaren Symptomen und wollten oder mussten sogar das Sonnensystem über die BACKDOOR-Transmitterverbindung verlassen. Und viele Menschen litten mittlerweile unter dem Dienst in den TANKSTELLEN.
Man konnte danach süchtig werden, das stand zweifelsfrei fest, und der Einsatz ließ die Menschen überdies vielfach vorzeitig altern oder raubte ihnen schlicht und einfach Lebensenergie.
Die Sorgen wurden für Bull und die gesamte Regierung nicht weniger, ganz im Gegenteil. Die Wirtschaftskreisläufe im Solsystem, die Homer G. Adams, Residenz-Koordinator für Wirtschaft, Finanzen und Strukturwandel im Rang eines Residenz-Ministers, unter der Belagerung TRAITORS reorganisiert hatte, funktionierten zwar durchaus zufriedenstellend; Adams war mit der Sonderaufgabe betraut worden, den Strukturumbruch im Solsystem und der LFT zu koordinieren, und leistete hervorragende Arbeit.
Für eine gewisse Anbindung an die Außenwelt jenseits des Kristallschirms sorgten die BACKDOOR-Transmitter sowie MOTRANS-1, die im Luna-Orbit stationierte Mobile Transmitter-Plattform, die mit einer 1000 Meter durchmessenden Projektorkugel für die Erstellung eines Situationstransmitters ausgestattet war. Gemeinsam mit einer in den
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