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244 - Der dunkle Traum

244 - Der dunkle Traum

Titel: 244 - Der dunkle Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Wunde geschlagen hatte. Bevor er sich in Lay verliebte.
    »Was Zarr wollte?« Als Rulfan Lay kennen gelernt hatte, war er froh gewesen, dass sie einige Brocken Englisch sprach. Ihr Wortschatz hatte sich in den letzten Monaten verbessert, trotzdem fehlten ihr noch viele Worte.
    »Er sagt, wir bekommen Besuch. Ein kleiner Mann mit einem Begleittier.«
    Lay richtete sich auf die Zehenspitzen und versuchte Rulfan einen Kuss zu geben. Dann seufzte sie, schlang die Arme um seinen Hals und hopste hoch. Sie schlang ihre Beine um seine Hüften und war endlich auf Augenhöhe. Ihre Lippen fanden sich. Wie so oft war Rulfan von Lays spontaner Liebesfähigkeit überrascht. Sie war rau, sehr atavistisch und ohne Hemmungen. In letzter Zeit jedoch…
    Ihr fehlen viele Worte!
    Er verscheuchte den Gedanken und genoss den Kuss, der nach Moos und süßem Wasser schmeckte.
    »Ich muss sorgen. Für Besuch. Esszeug putzen. Wasser holen«, hauchte Lay Rulfan ins Ohr.
    »Ja«, war alles, was er hervorbrachte, denn schon wieder verschlossen ihre Lippen seinen Mund. Mit einer einzigen fließenden Bewegung sprang sie ab, huschte die Leiter hinunter und verschwand im Inneren der Höhle. Atemlos sah Rulfan ihr hinterher. Sie war eine wilde leidenschaftliche Frau, und genau in diese Eigenart hatte er sich verliebt. Man spürte ihr noch nach, wie sie aufgewachsen war. Auf den Bäumen, bei einer Horde Zilverbaks!
    Zilverbaks und Nackthäute – also Menschen – lebten seit vielen Generationen in trauter Gemeinsamkeit. Lay war die klügste der Nackthäute, eine begabte Jägerin, eine listige Kriegerin. Für die Zilverbaks war sie so etwas wie eine Göttin. Entsprechend eifersüchtig waren einige Gorillas auf Rulfan gewesen, aber nur bei Zarr war dieses Gefühl geblieben. Nicht, dass einer der Gorillas mit dem Gedanken einer Paarung gespielt hätte… nein, dagegen gab es klar vereinbarte Regeln, trotzdem hätten die Zilverbaks die Frau gerne für sich behalten.
    Von der Bergflanke im Osten kam eine milde Brise herüber. Der weiße Berg glühte rot im Licht der aufsteigenden Sonne. Pflanzen öffneten ihre Blütenblätter; Pflanzen, die nur hier wuchsen, da ihre Samen, in die Ebene hinabgeweht, dort nicht überlebten. Rulfan machte sich auf, um den Besucher zu empfangen. Durch ein Spalier herrlich blühender Akazien kam er zur Feuerstelle. Dort hatten sich einige Menschen versammelt, die ihm freundlich zunickten. Drei, nein vier Zilverbaks saßen mit ihnen beisammen und knurrten vor sich hin. Rulfan schritt die Anhöhe hinauf, wo vor einer Reihe Affenbrotbäumen auf sein Geheiß hin die Palisaden verbessert worden waren. Das hielt Wardonks, Leeparden, Hyeenas und andere Raubtiere ab. Seitdem schlief man bedeutend ruhiger. Rulfan schirmte mit der Hand seine Augen ab. Im Gatter zu seiner Linken graste eine Herde Kamshaas. Mit blöden Augen glotzten einige zu Rulfan herüber. Big Master Of The Jungle! Rulfan fragte sich einen arglosen Moment lang, was wohl Matt dazu sagen würde, könnte er ihn jetzt sehen. Rulfan war ein genügsamer Mann geworden. Er wurde von einer wunderbaren Frau umsorgt, aß und trank, ansonsten gab er Anweisungen. Und alle, die mit ihm lebten, waren zufrieden damit.
    Rulfan hatte sich in seinem langen Leben durch unzählige Heldentaten ausgezeichnet. Seine letzte, und die lag fast ein Jahr zurück, hatte er vollbracht, als er Lay gegen einen aufständischen Gorilla, den grausamen Borr, verteidigte. Seitdem genoss er einen hohen Stellenwert in der Gemeinschaft.
    Hin und wieder begab er sich auf die Jagd, meistens als Statist, da Lay die Fäden und die Zilverbaks in der Hand hielt. Gäste waren in Taraganda selten. Streitigkeiten mit anderen Stämmen gab es nicht. Es war ein einsames Paradies unter einem grünen feuchten Blätterdach.
    Rulfan sah an sich hinunter und stellte fest, dass er um die Hüften herum Fett angesetzt hatte. Komischer Gedanke, dachte er. Das stört mich ausgerechnet jetzt, da wir Besuch bekommen? Werde ich eitel? Nun gut – ich bin nicht mehr der Jüngste, aber noch immer fit. Die Jahre konnten mir bisher nichts anhaben. Außerdem habe ich eine Frau an meiner Seite, die nur halb so alt ist wie ich. Ich möchte den Mann sehen, dem das nicht gut tut!
    Zuerst sah er den Kopf des Fremden, dann verschwand der Körper hinter einer Buschreihe, um anschließend auf dem schmalen Serpentinenweg erneut aufzutauchen. Rulfan lehnte am Tor und behielt das sonderbare Gespann im Auge. Ein Mann und ein Begleittier, genau wie

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