2445 - Geschöpf des Chaos
erfüllte alles, durchdrang jede Haut und jede Mauer und schwang wie eine unsichtbare, allumfassende Membran mit jedem Gedanken, jedem Luftholen, jedem Herzschlag mit.
Es war der Boden, in den das Chaos und seine Geschöpfe ihre Wurzeln geschlagen hatten, wie das samtene Bett, in dem man einschlief und sicher erwachte, wie das Wispern der Verheißung von Wachsen, Verändern, Erleben aller nur denkbaren Ekstasen und Wunder der neuen, chaotischen Schöpfung.
Wie lange hatte Ekatus Atimos, insbesondere natürlich jene Hälfte, die in einem chaotischen Raum groß geworden war, darauf warten müssen!
Er war, endlich, nach Tare-Scharm gelangt, zum Zentrum all seiner Sehnsüchte, und hatte erlebt, was es hieß, völlig neu aufzublühen. Er war am Ende bloß von diesem Wunsch beseelt gewesen.
Heimzukehren ins Chaos, wohin er gehörte, wo er einstmals entstanden war und wo er sich irgendwann, wenn dieser Abschnitt der Existenz zu Ende ging, in Frieden und Glück verströmen wollte.
All das war das Vibra-Psi, das Fühlen der Verheißung und der Geborgenheit.
Die Kraft und die Freude, Wärme und ... ja, vielleicht so etwas wie Liebe. Denn die gehörte nicht den „Anderen" allein, die da meinten, für eine bessere Gerechtigkeit zu kämpfen.
Chaos war auch Liebe. Und ... vielleicht ...
Freundschaft?
Würde ein Perry Rhodan das jemals verstehen können? Er hatte die neue Schöpfung auf Ata Thageno erlebt, vom Werden und Vergehen in einem Prozess ewiger chaotischer Neuschöpfung bis hin zum beglückenden Erleben des absoluten Nichts und Niemals.
Hatte er es verstanden? Konnte er es?
Versuchte er es überhaupt?
Ekatus Atimoss stand vor der Tür seiner Kabine und holte tief Luft. Über das Bord-Holonetz hatte er den Start der cypronschen Flotte mitverfolgen können. Es stimmte also, es gab für ihn keine Hindernisse, sich der Informationen der Terraner zu befleißigen.
Aber vielleicht ...
Er versuchte es. Der Dual öffnete die Tür. Sie schob sich zur Seite und verschwand in der Wand, sodass der Blick auf den dahinter liegenden Korridor frei war.
Ekatus Atimoss spürte, wie seine beiden Herzen heftiger schlugen, vor allem das der Atimoss-Hälfte. Ekatus befand sich wieder in einem Zustand des Dämmerns, hatte sich von allem abgeschottet, was ihn daran erinnerte, wie schnell das Vibra-Psi für ihn verstummen konnte.
Jetzt war wieder Atimoss derjenige, der die Kontrolle bewahrte und versuchte, das Beste aus seiner Lage zu machen.
Er hatte sich entschieden und zugestimmt, bei den Terranern an Bord der JULES VERNE zu bleiben. Auf ihr und mit ihnen würde er, aller Voraussicht nach, die Schlacht um Tare-Scharm erleben. Was danach kam, falls es dann noch etwas gab, stand auf einem anderen Blatt ...
Er ballte die Hände und trat hinaus.
Der Korridor war leer. Es befanden sich keine Menschen in Sichtnähe, er hörte nicht einmal Geräusche, die auf das Gegenteil hinwiesen.
Vertrauen sie mir wirklich so sehr?
Ekatus Atimoss ging rückwärts zurück und schloss wieder die Tür.
Was hatte er erwartet? Terraner, die bei seinem Anblick von Grauen erfüllt davonliefen? Oder schossen? Er war ihr Schreckgespenst, ein Massenmörder in ihren Augen. Selbst falls ein Perry Rhodan ihm tatsächlich vergeben haben sollte – sie würden nicht so schnell vergessen können. Rhodan war ein Stratege und Taktiker und handelte mit Bedacht. Die einfachen Menschen taten das nicht in dem Maße. Sie würden ihre Überlegungen nicht immer über die Gefühle stellen.
Ja, vielleicht würde einer von ihnen zur Waffe greifen und ihn töten wollen.
War Verzeihen überhaupt möglich?
Freundschaft, Vertrauen ... was waren diese ohne das Verzeihen?
Der Dual ließ sich in den ihm angepassten Sitz sinken und starrte mit Ekatus’ Schildkrötenaugen ins Leere.
War das alles denn wichtig? Er hatte gelernt, keinem lebenden Wesen mehr zu trauen, ganz gleich wer oder was es war.
Und er war damit bisher sehr gut gefahren.
Aus welchem Grund sollte er das nun ändern?
Die Zukunft, ja ...
Ekatus Atimoss drehte sich mit dem Sessel um und murmelte einige Befehle.
Vor ihm begannen sich Bilder aufzubauen. Eine Stadt. Der Dual hatte Informationen über die Heimat der Terraner angefordert, jene Welt, in der er, möglicherweise, einmal leben sollte.
Mein neues Zuhause!, dachte er bitter.
Die Stadt hieß Terrania, und sie war gigantisch. Er sah Kuppeln und Türme, gewundene Gleiterstraßen und riesige Parks, in denen es blühte und von Leben wimmelte. Es
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