2464 - Das Archaische Programm
hatte.
Taffanaro hielt die Handflächen nach oben und fing das Wasser ein.
Erst roch er daran, dann trank er. Es schmeckte würzig, keineswegs schal oder abgestanden. Dass alle Umweltsimulationen nach 29 Millionen Jahren noch perfekt funktionierten, hielt der Heromet für ein gutes Zeichen. Die Versorgungsanlagen von CHEOS-TAI funktionierten. Wer dafür sorgte und ob es mit der Umstrukturierung zu tun hatte, konnte er nicht sagen. Die Stimme hatte ihm bescheinigt, dass seine Erinnerung vollständig war. Also hatte die Mentale Revision keine weiteren Informationen für die Servos vorgesehen.
„Und wir wundern uns, dass die Fremden in der Lenkzentrale uns so seltsam vorkommen, als könnten sie nicht mit CHEOS-TAI umgehen", murmelte er.
Dabei wusste er nicht einmal, wie der GESETZ-Geber nach der Umstrukturierung funktionierte und ob die Lenkzentrale überhaupt noch ihre ursprüngliche Funktion erfüllte.
Taffanaro fühlte sich plötzlich hilflos, so allein mitten im strömenden Regen. Wasser lief an seiner Nase hinab und unter den Overall. Es perlte an seinem Pelz ab, sickerte zu den Beinöffnungen hinaus und bildete zwei Lachen um seine Füße.
„Oeeh!" Er rief die Servos zusammen. In Windeseile hatten sie sich in ihrem angestammten Lebensraum verteilt auf der Suche nach Nahrung, nach Beschäftigung, nach Weichholz, um sich die Zähne glatt zu schaben.
Nur einer schien an alldem keinen Gefallen zu finden. Er tauchte hinter einem Gebüsch ganz in der Nähe auf und blieb abwartend stehen. Kafarain.
„Es könnte nötig sein, dass du einen besonderen Schutz brauchst", murmelte der Servo. „Ich bin dein Stellvertreter, ab sofort werde ich auch als dein Leibwächter fungieren."
„Du hast recht, wir müssen vorsichtig sein. Übervorsichtig."
Dank dem Regen nahm die Luftfeuchtigkeit ihres Lebensraums langsam die gewohnten Werte an. Die Baumstämme fingen an zu glänzen, erste Kleinstlebewesen machten sich bemerkbar. Sie verließen den Schutz der großen Blätter und flüchteten sich tiefer in das Dickicht hinein.
Taffanaro hörte erste Zweige brechen. Stimmen erklangen. Aus allen Richtungen kamen die Heromet herbei, um sich um ihn zu versammeln.
Rund 1300 Servos waren erwacht, eine ansehnliche Streitmacht, doch das war ein ausgesprochen subjektiver Eindruck. Solange sie nicht wussten, wie groß die Zahl der Fremden war, hielt der TAI-Servo es für sinnvoller, die eigene Stärke zu verbergen.
Verblüfft hielt er inne und analysierte den Gedanken. Ein Servo diente zur Unterstützung für andere Lebewesen, aber auch zur technischen Unterstützung in bestimmten Sektoren.
Er war kein Soldat. Aber genau in diesen Bahnen hatte sich der Gedanke bewegt.
„Oeeh!", wiederholte Taffanaro und fragte sich, ob es bei der Mentalen Revision zu einer Programmergänzung oder Änderung in seinem Gehirn gekommen war. Brachte die Umstrukturierung von CHEOS-TAI es mit sich, dass er und seine Servos anfingen, in taktischen und strategischen Bahnen zu denken?
Die letzten Heromet trafen ein. Taffanaro kletterte auf einen Baumstumpf, damit ihn alle sehen und besser hören konnten.
„Oehh! Servos, hört mir zu. Ihr hattet Zeit, über euch und unsere Aufgabe nachzudenken. Der Ruf nach Servo-Unterstützung ist ergangen, und wir sind ihm nicht gefolgt. Damit verstoßen wir gegen unsere Aufgabe, die wir über Äonen zuverlässig wahrgenommen haben. Unser Problem ist aber auch das Problem von CHEOSTAI. Der GESETZ-Geber gibt uns keine Informationen über die Fremden und über das, was sich in 29 Millionen Jahren verändert hat. Vielleicht existiert das Steuerzentrum von CHEOSTAI gar nicht mehr. Was immer geschehen ist, wir sind zunächst auf uns allein angewiesen."
Den Dienst zu verweigern und den Ruf nicht zu beachten kam in ihrem Denken gewöhnlich nicht vor. Dessen war sich Taffanaro ebenso bewusst wie alle anderen Servos, die sich von den Liegen erhoben hatten. Doch wer die vielen Toten gesehen hatte, wer über die in jedem Kontrollraum vorhandenen optischen Module den Fremden bei ihrem Tun in der Lenkzentrale zusah, der musste an dem Sinn des Rufes zweifeln.
In seiner Funktion als TAI-Servo stellte er den Heromet daher die alles entscheidende Frage: „Seid ihr, jeder für sich, zu einer Entscheidung gelangt?"
„Ja!", riefen sie wie aus einem Mund.
„Und wie lautet sie?"
„Wir brauchen mehr Informationen.
So lange sind wir deiner Meinung."
Taffanaro war ungeheuer erleichtert. „Ich danke euch. Es ist eine gute
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