2478 - LICHT VON AHN
des Raumes. Kamuko mochte die eleganten Bewegungen seiner Laufbeine. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie die Bewegungen anderer Lebewesen aussahen. Es war viel zu lange her.
„Was ist am heutigen Tag so anders als am gestrigen?"
„Nichts", gab sie zu. „Aber muss ich mir die Frage nicht irgendwann stellen, warum ich noch lebe? Ich bin von anderer Art als du, Deprot. Ich bin biologisch, werde älter und sterbe. Das ist der Lauf der Dinge, daran ändert es auch nichts, dass ich mit recycelter Nahrung perfekt versorgt bin. Aber in den letzten hundert Jahren bin ich keinen Tag gealtert. Nur die wenigsten Aeganer werden so alt, wie ich längst bin ... und wenn, sind sie hinfällig und wissen nicht einmal mehr, wer sie sind. Ich müsste mich längst aus der bewussten Welt verabschiedet haben, dürfte keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen können und darauf angewiesen sein, dass du mich mit Nahrung versorgst und am Leben hältst."
„Aber so ist es nicht, denn du wirst noch gebraucht, Kamuko."
Sie dachte lange über diese Aussage ihres Gesellschafters nach. Sie hatte mehr als genug Zeit. Was Deprot sagte, klang klug, wie die Worte eines Philosophen, der einen höheren Plan hinter allem sah – aber war es auch so? „Ich lebe, weil ich gebraucht werde?"
Die Dioden blinkten scheinbar heller als zuvor. „Vielleicht du, vielleicht lediglich die Nachtlicht-Rüstung."
Kamukos Fingerspitzen strichen über die kühle, erhabene Oberfläche des Brustpanzers. Mit einem Mal verstand sie alles. Seltsam, dass sie nie zuvor so weit gedacht hatte. Wie viel Grübelei hätte sie sich ersparen können, wenn sie schon vor Jahren Deprot darauf angesprochen hätte! Es lag doch auf der Hand.
Die Nachtlicht-Rüstung verlängerte das Leben ihrer Trägerin!
„Du hast recht", ließ sie Deprot wissen. „Die Rüstung braucht mich. Sie benötigt mich als Trägerin, weil sie ohne mich nur ein wertloses, nicht einsatzfähiges Artefakt ist! Sie mag das Produkt einer unvorstellbar hohen Technologie sein – aber ohne ein Lebewesen, das sie führt, ist sie nichts!"
Deprot stand bewegungslos. Das allgegenwärtige Licht spiegelte sich auf seiner glänzenden Oberfläche. „Lass mich dir also noch eine Frage stellen.
Wie es aussieht, haben wir bislang völlig falsch gedacht. Wie viele Komponenten hat die Rüstung?"
Drei, wollte Kamuko sagen. Der Brustpanzer. Die Beinbrücke. Der Vektor-Helm, der seit hundert Jahren darum kämpft, dass ich ihn wieder aufsetze. Ich werde meinen Schwur jedoch nicht brechen.
In ihrem Geist regte sich etwas; es war ein angenehmes Gefühl, sich mit einem Rätsel beschäftigen zu müssen. Eine Herausforderung.
Wie viele Komponenten hat die Rüstung?
Sie schaute den Kegel-Leib ihres Gesellschafters an, verfolgte den Rhythmus der aufblitzenden Dioden, der scheinbar einem Zufallsalgorithmus folgte, den sie längst durchschaut hatte: Er wiederholte sich alle zwei Tage, im Wechsel mit einer zweiten Abfolge, die eine vierstündige Zwischensequenz einblendete.
Wie viele Komponenten hat die Rüstung?
„Vier", sagte sie Stunden später.
Deprot widersprach nicht. Offenbar war er mit der Antwort einverstanden.
Vier: Der Brustpanzer.
Die Beinschiene.
Der Vektor-Helm.
Und Generalin Kamuko selbst.
*
Sie ging durch jeden einzelnen Quadratmeter der Space-Jet, wie sie es an jedem zehnten Tag seit einer Ewigkeit tat. Sie betrat jeden Raum ...
Wer hier wohl geschlafen hat – da ist er ja, der Fleck, der sich ins Metall des Schranks eingebrannt hat –, die dritte Ablagefläche des vierten Regals ist gebrochen.
... jeden Raum und schritt jeden Meter jedes einzelnen Korridors ab. Rhodan hatte die JV-1-SJ-10 als Beiboot der SPIRIT-Klasse bezeichnet. Sie wies einen Rumpfdurchmesser von dreißig Metern auf, war sechs Meter hoch. Es gab Mannschaftsräume, Maschinenräume, Waffenräume, einen Laderaum. Zwei Gravitraf-Speicher, die sich nicht mehr fluten ließen, weil die Technik des Mutterschiffs fehlte. Zwei Hauptfusionsreaktoren oder das, was von ihnen übrig geblieben war. Dies und das, tausend Details, die Kamuko gar nicht mehr wahrnahm, obwohl sie sie sah.
Sie kannte jeden einzelnen Anblick so gut, dass sie ihn mit geschlossenen Augen hätte zeichnen können.
Manchmal kam ihr der Weg weit vor ...
Bin müde, aber ich darf nicht schon wieder schlafen, meine Muskeln verkümmern sonst noch.
... manchmal kurz. An diesem Tag ging sie ihn sogar zweimal ab. Warum nicht? Sie konnte tun und lassen, was
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