2478 - LICHT VON AHN
Halle erwachte ringsum zum Leben.
Es surrte, klickte und schabte überall, und die humanoiden Roboter mit den Kugelköpfen stampften auf die beiden Eindringlinge zu.
2.
Generalin Kamuko: 9. September 1347 NGZ
Ihr Gesellschafter Deprot stand neben ihrem Sessel und war seit 16 Jahren tot.
Wenn sie ins Leere sah ...
Ich tue es gerne, seit Jahrhunderten schon, denn irgendwo, weit dahinten im Nichts, wartet jemand auf mich. Oder etwas. Vielleicht der Tod. Vielleicht all meine Vorgänger. Vielleicht ... das Glück.
Vielleicht ARCHETIM. Oder die schwarze Leere.
... spiegelte sich ihr Gesicht auf dem Bildschirm. Sie sah sich selbst so oft und schon so lange. Viel zu lange. Sie konnte dem Anblick nichts mehr abgewinnen, hatte ihn gründlich satt, so wandelbar er war. Trotzdem blieb sie die Gleiche: ich und ich und ich und ich ... Sie kannte jeden Millimeter Haut, jede noch so kleine Falte, jedes winzige Fleckchen im Muster auf der linken Gesichtshälfte.
Es ist schon lange her, und es dauerte monatelang, und bis heute frage ich mich, ob das Ergebnis wirklich korrekt war oder ob ich einen dummen Fehler begangen habe, der von eminenter Wichtigkeit und doch völlig bedeutungslos ist ... Ihre Nasenöffnung war mit einem Sekret verschmiert, durch das die kleine Wunde innerlich abheilte, die sich Generalin Kamuko in der Hektik der Flucht vor ihren Verfolgern aus Versehen selbst zugefügt hatte, als sie in ihrer dritten Wohnkammer gestolpert und gegen die Wand gefallen war.
Das alles sah und dachte sie, wenn sie ins Leere schaute, doch wenn sie ihren Blick scharf stellte und dadurch die Wiedergabe des Bildschirms vor ihrem Sessel korrekt in ihrem Gehirn ankam, erkannte sie zwei Eindringlinge. Die beiden widerwärtigen Kreaturen, die sie bis in ihre geheimen Kammern und noch weiter verfolgt hatten.
Was bildeten sie sich nur ein?
Warum ließen sie sie nicht in Ruhe?
Wie konnten sie so dreist sein, ihr auf den Leib zu rücken?
Schließlich war sie die Gründermutter ...
Das Credo unseres Geheimbunds: Friedensfahrer stiften Frieden, wenn Gewalt und Krieg drohen, sie verstehen sich als Helfer und Beschützer des Lebens in all seinen Ausprägungen und Mentalitäten. Die Friedensfahrer kämpfen nicht gegen Ordnung oder Chaos als kosmische Prinzipien, sondern für das Leben an sich. Friedensfahrer sind nicht mehr den Völkern verpflichtet, aus denen ihre Mitglieder ... und so weiter und so weiter und so fort.
... die Gründermutter und die Prinzipa ARCHETIMS ...
Retroversion und STERN und GESETZ-Geber und Oaghonyr und ARCHETIMS HORT und Tare-Scharm und Schmetterblüter und Nadel des Chaos.
... die Prinzipa ARCHETIMS, die oberste Kriegsherrin und die Trägerin der Nachtlichtrüstung.
Und die größte Versagerin in 20 Millionen Jahren.
Sie hasste dieses Gesicht, und sie hasste die wirren Gedanken, die unablässig in ihrem Schädel tobten, ohne dass sie es kontrollieren konnte. Alles und jedes löste eine Assoziationskette aus, und manchmal wurde es so schlimm, dass sich die Erinnerungen ihres langen Lebens verselbstständigten und auch dann noch in ihr kreisten und kreisten und kreisten, wenn sie nichts weiter wollte als schlafen und endlich für ein paar Stunden Ruhe finden.
Sie hasste das Nichts, denn dort könnte etwas auf sie warten, am Ende vielleicht sogar ARCHETIM, der vorangegangen war an diesen Ort. Und seine Mächtigkeitsballung zurückgelassen hatte, ohne das Licht, ohne das Glück, ohne einen Sinn im Leben. Und ohne Frieden.
Was, wenn sie ARCHETIM begegnete?
Nein, nein, nein, wie schlimm wäre das!
„Schau nur her, Deprot!" Sie drehte sich in dem viel zu großen Sessel, in den sie nie hineingewachsen war. „Schau nur her, sie verfolgen mich. Aber ich habe doch alle Vorkehrungen getroffen, dass ich nie mehr mit der Welt in Kontakt trete."
Dass Deprot sie schon lange nicht mehr hören konnte, spielte keine Rolle.
Es war ihr völlig gleichgültig. Er war ihr treuer und einziger Freund.
Sie quälte sich aus dem Sessel, ging einige wankende Schritte und strich über Deprots kegelförmigen, harten und kalten Leib. Dann drehte sie ruckartig den Kopf und starrte auf die Bildwiedergabe.
Wie sehr sie die beiden hasste, die sie in ihre Einsamkeit verfolgt hatten. Sie hatten nicht das Recht dazu, in Kamukos notwendiges Exil einzudringen. Die Gründermutter war weder dazu bereit, ins Rampenlicht zurückzutreten, noch dazu, sich dem Urteil der Welt auszusetzen, das nur eine mögliche Antwort kennen
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