2482 - Der ewige Kerker
nach vorne aus dem Cockpit sah, sondern Hajmo ihr ebenmäßiges Gesicht zuwendete und ihm ein strahlendes Lächeln schenkte.
Er hatte keinen Grund, sich deswegen Sorgen zu machen. Jawna war nicht auf ihre dunkelbraunen Augen angewiesen. Sie nahm die Umwelt auch durch die Außenkameras und sonstigen Sensoren des Flugpanzers wahr, den sie via Funkverbindung steuerte. Außerdem übertraf ihre Reaktionsschnelligkeit Hajmos bei weitem.
Win-Alpha fiel unter ihnen zurück.
Binnen weniger Sekunden war der Stützpunkt kaum noch zu erkennen, obwohl er mehr als zwanzig Kilometer durchmaß. Die ums zentrale Landefeld gruppierten, insgesamt 178 Module der LFT-Boxen ATHOS, PORTHOS und ARAMIS waren teils in bis zu eineinhalb Kilometern tiefen Schächten versenkt, teils durch Erdaufschüttungen getarnt worden.
„Was verschafft mir die Ehre", fragte Hajmo Siderip, „von dir kutschiert zu werden?"
„Unser gemeinsamer Bekannter, der Cheflogistiker, hat mich darum gebeten." Jawna sprach mit jener sanftrauchigen Altstimme, die sie am häufigsten verwendete, weil sie von Terranern als unaufdringlich wohlklingend empfunden wurde.
Hajmo wusste, dass Major Togoya über eine reiche Auswahl an Idiomen verfügte: Ihre 6000 Basis-Stimmprogramme ließen sich mittels Veränderung der Synthesizer-Algorithmen millionenfach variieren. Ähnlich verhielt es sich mit den körpersprachlichen Mustern. Vom devoten Weibchen bis zur strengen Matrone enthielt Jawnas interne mimetische Bibliothek fast jede beliebige Abstufung.
Sie strich sich die pechschwarzen schulterlangen Haare aus der hohen, makellos glatten Stirn, dann stupste sie Siderip kumpelhaftburschikos mit der Faust gegen die Schulter. „Schön, dass wir wieder mal etwas zusammen unternehmen!"
Schwang da ein leiser Vorwurf mit, er pflege seine Freundschaften zu wenig? Unbegründet wäre dieser nicht gewesen.
Seit geraumer Zeit hatte Hajmo sich nach Dienstschluss meist in seiner Unterkunft vergraben und selbstmitleidig dem Liebeskummer ergeben. Er wollte dem gutmütigen Spott der Kameraden und Kameradinnen entgehen, denen er insgeheim absolut recht gab: Warum musste er sich ausgerechnet in die unerreichbarste Frau von allen vergucken?
Jawna gegenüber war Hajmo noch befangener als im Zusammensein mit anderen weiblichen Humanoiden. Er fühlte sich ihr meilenweit unterlegen.
Sie konnte schließlich nicht nur ihre eigenen Gefühlsäußerungen beliebig steuern, sondern auch die seinen aufzeichnen und vergleichend analysieren, indem sie auf die gespeicherten Daten sämtlicher Rechner des Stützpunktes zugriff.
„Ja, das finde ich auch super", antwortete er lahm. Er lehnte sich zurück und blickte aus dem Fenster, hinab auf das ausgedehnte, rund hundert Kilometer lange, von hohen Bergen umgebene und einem mäandernden Fluss durchströmte Tal an der Westküste eines blaugrün flirrenden Ozeans.
Höher und höher stiegen sie, bis sich die Sicht abrupt verdüsterte und auf graues Wallen reduzierte. Der Shift war in die dichte Nebeldecke eingedrungen, die aufgrund einer klimatischen Besonderheit stets über dem Äquatorialkontinent Winor lag und eine normaloptische Beobachtung aus dem All verhinderte.
Manche Wissenschaftler behaupteten, dies hinge mit dem Kontaktwald zusammen. Hajmo mischte sich nicht in ihre Debatten ein; sein Fachgebiet hatte verschwindend geringe Berührungspunkte mit Meteorologie.
„Hat dir Djato angedeutet, was er uns zeigen will?"
„Nein. – Geht es dir gut, Kollege Siderip?"
„Bestens." Er räusperte sich. „Wie kommst du darauf?"
„Du bist auffällig blass. Die Färbung deiner Kopfhaut beträgt kaum sechzig Prozent des Durchschnittswertes. Leidest du unter Stoffwechselstörungen, beispielsweise Übelkeit, bedingt dadurch, dass ich zu schnell oder zu ruckartig fliege?"
Er schüttelte verneinend den Kopf. „Mich hat ein leichter grippaler Infekt erwischt wie viele andere auch. Das Vibra-Psi schwächt die körpereigenen Abwehrkräfte."
„Lästig, nicht wahr? Meine Bioplasmakomponente wird ebenfalls beeinträchtigt."
Als wäre das vergleichbar ... Jawnas Gehirn, eine im durchaus adrett geformten Brustkorb untergebrachte, ellipsoide Konstruktion, konnte notfalls immer noch auf rein positronischen Betrieb umschalten. Dann verlor sie zwar persönliche Charakterzüge und Emotionen, aber noch lange nicht die Handlungsfähigkeit.
Hajmo blinzelte, als ihn das weißgelbe Licht der F7-Sonne Winola blendete. „Wir tragen alle schwer an den Ranzen auf unseren
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