2485 - Hyperflackern
Schneise hatte der Revisor sich auf die Seite Kantirans geschlagen. Er hatte dafür über seinen Schatten springen müssen, denn es ging um nichts weniger als die - zumindest vorübergehende - Aufhebung des Prinzips der Friedfertigkeit, das ihnen die Gründermutter einst als Fundament in die Wiege gelegt hatte.
Kantiran glaubte so etwas wie Erleichterung in dem fremdartigen Gesicht mit den zopfartig geflochtenen Muskelwülsten zu erkennen, Erleichterung darüber, dass die Gründermutter sich ebenfalls für den Kampf der Friedensfahrer ausgesprochen hatte, obwohl sie selbst nicht in diesen Kampf eingreifen würde.
»Wir bilden zwei Pulks«, sagte Kantiran. »Einen führst du mit der ASH AFAGA an, den anderen übernehme ich mit der THEREME II. Wir nähern uns dem Wall an zwei verschiedenen Stellen, die ein paar hundert Lichtjahre auseinanderliegen. Auf diese Weise tasten wir uns nach und nach heran.«
»In der Theorie klingt das ganz gut, Patron«, antwortete Ombar. »In der Praxis wird es uns nicht weiterhelfen. Der Wirkungsbereich der Quartalen Kraft endet deutlich vor dem Wall. Daran wird sich nichts ändern, solange der Wall geschlossen ist.«
»Du glaubst also, das Hyperflackern hätte nichts mit ESCHER zu tun?«
Polm Ombar ließ die Muskelstränge seines Gesichtes spielen, vermutlich ein Zeichen seiner Ratlosigkeit.
»Ich glaube es erst, wenn ich es erlebe. Gerüchte oder Vermutungen helfen mir nicht weiter. Außerdem verabscheue ich sie. Was nicht heißt, dass wir untätig vor Cala Impex ausharren sollen. Ich lege Wert darauf, mich persönlich davon zu überzeugen, was es mit dem Hyperflackern auf sich hat.«
Kantiran war erleichtert. Er kannte und schätzte Ombar schon so lange, dass es ihm widerstrebte, wenn sie zwei einander ausschließende Meinungen verträten. Zum Glück waren sie Freunde. Und Freunde fanden immer eine Lösung, mit der sie beide leben konnten.
»Ich habe dich nicht deswegen gebeten, die ASH AFAGA zu verlassen«, sagte er. »Ich möchte dich bitten, mich bei der Gründermutter zu unterstützen.«
Kantiran ging ihm voraus zur THEREME II. Sie suchten die Suite der Aeganerin auf. Die Tür stand offen. Als sie eintraten, schlug ihnen ein herbsüßlicher Geruch entgegen. Kamuko stand an der linken Seite des Raumes zwischen zwei Säulen und wandte ihm den Rücken zu.
»Ich habe euch schon erwartet«, sagte sie, ohne sich umzudrehen.
Kantiran blieb stehen. »Wir folgen CHEOSTAI zum Grenzwall. Vielleicht möchtest du den Flug und die Ankunft in der Zentrale mitverfolgen.«
»Dazu besteht kein Anlass«, gab sie zur Antwort.
Er spürte, dass sie provozierte, ihn dazu veranlassen wollte, so schnell wie möglich mit seinem Anliegen herauszurücken.
»Gesetzt den Fall, wir schaffen den Durchbruch - woran Polm Ombar noch nicht glaubt -, befinden wir uns in Hangay und stehen gegen TRAITOR. Wirst du uns dann helfen?«
»Helfen ja, kämpfen nein. Daran ändert sich auch nichts, wenn ihr zu zweit kommt.«
Kantiran blickte zu Ombar, aber der Revisor schwieg. Als Kamuko nichts mehr sagte, wandte sich der Hüne um und ging hinaus. Kantiran folgte ihm nachdenklich. Er begleitete Ombar zur Schleuse.
»Es war zu erwarten«, sagte der Revisor. »Ich fürchte, je öfter du es versuchst, desto stärker wird ihre Gegenwehr. Lass sie einfach in Ruhe.«
»Ich denke, du hast recht. Ich danke dir für deinen Rat.«
Er sah zu, wie Ombar hinüber zu seiner ASH AFAGA ging und in ihrem Innern verschwand. Es war von Anfang an ein Fehler gewesen, Kamuko zu bedrängen, nur weil sie die Nachtlicht-Rüstung trug.
Kantiran kehrte grübelnd in die Zentrale zurück.
»Das wolltest du eindeutig nicht hören«, stellte Cosmuel Kain fest.
»Sie wird nie mehr kämpfen, das ist mir spätestens jetzt klar. Aber sie wird uns wertvolle Ratschläge geben. Und allein schon deshalb ist es gut, dass sie uns begleitet.«
*
CHEOS-TAI, Lenkzentrale.
In den vergangenen Wochen hatte Rhodan den Grenzwall eher als etwas Abstraktes empfunden, als ein nicht fassbares Hindernis beim Einflug in die Galaxis Hangay. Jetzt zeigte er sich auf dem Orterabbild als durchaus handfestes Phänomen und unüberwindbarer Abgrund. Wie ein Mantel hüllte er die Sterneninsel ein. Im Bereich der Mantelfläche war die gewohnte Struktur des Hyperraums unterbrochen und vom sie umgebenden Hyperkontinuum getrennt. Schiffe, die versuchten, dieses Strukturvakuum auf herkömmliche Weise zu durchqueren, mit Sublicht- oder Überlichtantrieb, zerschellten wie
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